Jubiläum 100 Jahre Hovawartzucht

Vom Züchter der ersten Stunde, Curt F. König, zum Hovawart 2022

Jubiläumsfeier und Internationale Clubschau im Hofgarten des Schloss Fasanerie in Fulda-Eichenzell

Am Wochenende 11./12. Juni 2022 fand auf Einladung der drei beim Verband für das Deutsche Hundewesen (VDH) anerkannten Hovawart-Vereine, des Rassezuchtverein für Hovawart-Hunde e.V. (RZV), der Hovawart Zuchtgemeinschaft Deutschland e.V. (HZD) und des Hovawart-Club e.V. (HC) ein gemeinsames Jahrhundertfest im hessischen Schloss Fasanerie in Eichenzell bei Fulda statt. Zu diesem Anlass wurde auch eine aufwändig gestaltete, umfangreich recherchierte 90-seitige Festschrift „100 Jahre Hovawart“ erstellt, die die wechselvolle Geschichte dieser interessanten Hunderasse und die Entwicklung ihrer Zuchtvereine detailliert nachzeichnet.


TEXT Kirsten Breidenbach FOTOS Sven Greven

Während also in ganz Deutschland am 11. und 12. Juni der „Tag des Hundes“ gefeiert wurde, hieß es im Schloss Fasanerie in Eichenzell bei Fulda: „Tage des Hovawarts“. Die alte deutsche Hofhunderasse feierte offiziell ihren 100. Geburtstag. Warum gerade in diesem Jahr, fragte die Vizepräsidentin des Verbandes für das Deutsche Hundewesen (VDH), Christa Bremer, die herzliche Glückwünsche des Dachverbandes überbrachte. Immerhin war die Rasse schon an der Entstehung des Schäferhundes im 19. Jahrhundert beteiligt, hatte vor dem 1. Weltkrieg bereits die züchterische Wiederbelebung begonnen. Andererseits war der erste Hovawart Zuchtverein erst 1924 in Thale/Harz gegründet und die Zucht insgesamt erst 1937 offiziell als eigene Rasse anerkannt worden.

Im April 1922 wurde der erste Hovawart-Wurf in die Stammrolle (Zuchtbuch) eingetragen, sodass sich die drei in Deutschland anerkannten Hovawart-Zuchtvereine darauf geeinigt hatten, dass dies der entscheidende Anknüpfungspunkt sei, erläuterte Peter Thome, der Präsident des mit 5.000 Mitgliedern größten deutschen Rassezuchtvereins für Hovawart-Hunde.

425 Hovawarte aus ganz Europa in den drei Farbschlägen blond, schwarz und schwarzmarken erschienen zur größten Zuchtschau aller Zeiten und wurden auf zehn Ringen von zehn internationalen Zuchtrichtern bewertet. 90 anerkannte Deckrüden präsentierten sich dem interessierten Publikum zur Deckrüdenschau – Partnervermittlung für Vierbeiner. Dass Hovawarte auch vielseitige Sportpartner sind, demonstrierten mehrere Show Acts: der klassische, aus dem Polizeihundewesen stammende Schutzdienst, spielerische Hindernisläufe, Gehorsamsübungen und der Einsatz als Such- und Rettungshund fesselten das Publikum. Über 1.000 Zuschauer an beiden Tagen sorgten bei strahlenden Frühsommerwetter für den passenden Jubiläumsrahmen.

Nach einem feierlichen Festabend war die Zuchtschau am Sonntag das Highlight der Jubiläumstage:

Die ungarische Hündin Anonymus Notus Ruby mit ihrem Besitzer Gabor Meszaros trug den Gesamtsieg davon, vor dem amtierenden Bundessieger Oskar vom Gültsteiner Tor mit seiner Besitzerin Kerstin Lubjuhn aus dem südhessischen Michelstadt (Odenwaldkreis). Eine runde Veranstaltung in phantastischem Ambiente, urteilte der finnische Zuchtrichter und Vizepräsident der International Hovawart Federation (IHF) Tapio Eerola und ergänzte: „Wir kommen wieder!“

Ergebnistafeln und Fotoalbum

Wir gratulieren herzlich den Siegern der Jubiläumsausstellung „100 JAHRE HOVAWART“

BOB – Anonymus Notus Ruby mit ihrem Besitzer Gabor Meszaros | BOS – Oskar vom Gültsteiner Tor mit seiner Besitzerin Kerstin Lubjuhn

Auszug aus der Festschrift zu HOVAWART 100

Ein Jahrhundert Hovawart – was für eine Epoche, und doch eine kurze Periode für eine Hunderasse, die schon im Mittelalter als bodenständige, ursprüngliche Hof- und Begleithunderasse in verschiedenen Quellen erwähnt wurde. Dies macht zugleich die Schwierigkeiten der Geschichtsschreibung des Hovawarts deutlich. Eine alte deutsche Landrasse, Ergebnis von Gebrauchskreuzungen auf Bauernhöfen in den Mittelgebirgsregionen Deutschlands, ohne Zuchtprogramm, ohne Rassestandard, ohne Zuchtrichterbewertung.

Wo beginnt dann die Geschichtsschreibung?
In den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts, als Betram König in der Grenzregion zwischen Deutschland und Frankreich erste Versuche zur Sammlung und Rückzüchtung des alten Germanenhundes startete? Oder als sein Sohn Curt F. König nach dem 1. Weltkrieg im Harz die Ideen seines Vaters aufgriff und mit gezielten Kreuzungen diesen Hundetypus wiederherzustellen suchte? Oder mit der Eintragung des ersten förmlichen Zuchtvereins am 5. Juli 1924, dem Hovawart Verein für Deutsche Schutzhunde e.V. in Thale/Harz?
Für eine Rassehundezucht ist das Zuchtbuch die wichtigste Grundlage, sodass sich alle drei derzeit in Deutschland existierenden, beim Verband für das Deutsche Hundewesen e.V. (VDH) anerkannten Zuchtvereine darüber einig sind, dass mit dem am 3. April 1922 gefallenen Wurf Nr. 1 in der Hovawart-Stammrolle die eigentliche Geschichte dieser außergewöhnlichen Hunderasse beginnt.
Anders als bei fast allen anderen Hunderassen stand am Anfang der züchterischen Bearbeitung des Hovawarts nicht ein nach äußeren Merkmalen definierter Rassestandard, sondern die Beschreibung von erwünschten Wesens- und Charaktermerkmalen. Nicht das Körmaß, sondern das Auge des fachkundigen Kynologen, nicht ein definiertes Schönheitsideal, sondern robuste Gesundheit, Gebrauchstauglichkeit und Wesensfestigkeit eines mitdenkenden Hofwächters, freundlich im Grundton, aber durchaus wachsam und notfalls auch wehrhaft, wenn es nötig war. Erst allmählich formte sich daraus eine auch äußerlich homogene Population, die 1937 offiziell als eigenständige Rasse anerkannt wurde.
Nach dem Ende des 2. Weltkrieges, den der Bestand an Hovawarten fast unbeschadet überstanden hatte, keimten an verschiedenen Stellen Deutschland mit den verbliebenen Hunden neue züchterische Aktivitäten auf, diese einzigartige Hunderasse zu erhalten und zu neuer Blüte zu führen, mit noch nie zuvor dagewesenen Welpenzahlen in den Jahren 1946, 1947 und 1948. „Flucht in Sachwerte“ nennen das die Ökonomen, trotz der Knappheit an Futtermitteln. Bedingt durch die Nachkriegswirren fand dieses züchterische Gesehen nicht zentral gesteuert, sondern weit verstreut und weitgehend unabhängig voneinander in mehreren Regionen statt. Erst nach und nach schlossen sich die Gruppierungen zusammen und trennten sich auch wieder, nicht wegen grundsätzlicher züchterischer Differenzen, sondern oft wegen persönlicher Dissonanzen.
Welche Rolle spielt der Hovawart als Gebrauchshund im klassischen Einsatzbereich mit Fährte, Unterordnung und Schutzdienst? An dieser Frage schieden sich schon in den 50er Jahren die Geister und zementierten eine Aufspaltung der Szene: während der RZV den Antrag auf Anerkennung des Hovawarts als Gebrauchshunderasse vorantrieb, lehnten die übrigen Gruppierungen dies unter Berufung auf den Gründervater der Hovawart-Rasse, Curt F. König, ab. Für sie sollte die Prüfung der natürlichen, erblich bedingten Wesensmerkmale im Vordergrund stehen, nicht die durch Ausbildung und Training erworbenen Verhaltensweisen.
Dennoch hat sich trotz dieser unterschiedlichen Schwerpunkte bis heute eine erbgesunde, vitale, langlebige und bodenständige Hunderasse mit liebenswertem Charakter und souveräner Gelassenheit weiterentwickelt, der alles „Gekünstelte“ fremd ist und die inzwischen auch international viele neue Freunde gewonnen hat. Diese Entwicklung mit all ihren Irrungen und Wirrungen nachzuzeichnen, ist die Aufgabe dieser Festschrift, derer sich die drei großen Hovawart-Vereine in Deutschland angenommen haben.

Den Autoren und Mitwirkenden dieser Festschrift gilt unser Dank. Sie haben ein Werk entstehen lassen, das über den Jubiläumsanlass hinaus das Zeug zu einem Standardwerk der kynologischen Fachliteratur hat.
Den hoffentlich zahlreichen Lesern dieser Festschrift wünschen wir viel Vergnügen bei der Lektüre und viele neue Erkenntnisse, mit denen vielleicht auch der eigene Hovawart in einem neuen Licht erscheint.

Grußworte der Vereinsvorsitzenden / The Presidents‘ Opening Message

Herzlich Willkommen, liebe Hovawart-Freunde!

Zur Jubiläumsausstellung „100 Jahre Hovawart“ freuen wir uns, Sie im Hofgarten von Schloss Fasanerie als Aussteller und Züchter, als Gäste und interessierte Besucher begrüßen zu können. 425 Hovawarte aus 18 Nationen sind in den Schauklassen gemeldet und lassen unser Fest zum größten internationalen Hovawart-Treffen aller Zeiten werden. Zehn renommierte Zuchtrichter aus fünf Ländern werden auf zehn verschiedenen Ringen Rüden und Hündinnen begutachten und bewerten, um am Ende die Tagessieger „Best of Breed“ (BoB) und „Best of Opposite Sex“ (BOS), die besten Junghunde und Veteranen und die besten Zuchtgruppen sowie die Anwärter auf Championatstitel auszuzeichnen.
Nicht alle können gewinnen, und in einer so großen und starken Konkurrenz ist es keine Schande, nicht im Endring vertreten zu sein. Die Ausstellung wird Hunde vorne sehen, die in ihrer äußeren Erscheinung, ihrer Körperkonstruktion und ihrer Bewegung dem Rassestandard am nächsten kommen. Damit ist keine Aussage über deren individuelles Leistungsvermögen als Fährten- oder Rettungshund, im Mantrailing, im IGP-Sport, in Obedience-Wettbewerben, im Turnierhundsport, als Begleiter beim Wandern, Fahrradfahren, Joggen oder Ausreiten oder als Therapiehund verbunden. Glücklicherweise ist unser Hovawart ein Allrounder, ein wunderbarer Begleiter aktiver Menschen mit einer besonderen Bindung zu seiner Familie.
Bei der Definition des Rassestandards und noch mehr bei der Beurteilung von Ausstellungshunden steht für uns seit 100 Jahren der gesunde, robuste und wesensfeste, nervenstarke Hund im Vordergrund. Nicht modische Vorlieben, sondern die funktionale Anatomie des Bewegungstieres Hund mit souveräner Gelassenheit im wachen Temperament standen und stehen für uns im Fokus. Insofern ist der Hovawart ein sehr moderner Hund – und das seit 100 Jahren!
Der Veranstaltung wünschen wir einen guten und reibungslosen Verlauf, unseren Gästen aus nah und fern viele positive Eindrücke und anregende Gespräche, den Ausstellern viel Erfolg. Unser Dank gilt den Zuchtrichtern und den Teams unserer drei Zuchtvereine, die seit Monaten mit der Vorbereitung dieser Ausstellung und heute deren Durchführung beschäftigt sind.
Es lebe die Hovawart-Zucht – ad multos annos!

Dear Hovawart friends!

Breeders, exhibitors, guests, and interested visitors, we are pleased to welcome you to the anniversary dog show “100 Years of the Hovawart” held in the gardens of Schloss Fasanerie. Composed of 425 Hovawarts from 18 nations, this festival is the greatest international Hovawart meeting of all time. Ten renowned judges from five different countries will examine and evaluate the assembled males and females across ten different rings, narrowing the field and leading us to the winners of the day: „Best of Breed“ (BoB) and „Best of Opposite Sex“ (BOS), along with the best Juniors and Veterans, the best breeding groups, as well as candidates for championship titles.
Of course, not everyone can win. Nevertheless, against such large and strong competition, it is no shame in not making it to the finals. The show will feature dogs that come closest to the breed standard in appearance, body construction, and movement. Importantly, the individual’s conformation evaluation is not a statement about a dog’s performance in other areas such as a rescue dog, in tracking and mantrailing, IGP, obedience competitions, other tournament sports, as a companion for hiking, cycling, jogging, or riding, or as a therapy dog. Fortunately, our Hovawart is an all-rounder, a wonderful companion for all active people.
When defining the breed standards, and especially when assessing show dogs, the healthy, robust, and temperamentally stable dog with strong nerves has been our priority for 100 years. Above fashion preferences, the functional anatomy of an endurance distance runner with strong composure and alert temperament was, and remains, our focus. In this respect, the Hovawart is a very modern dog – and has been for 100 years. Many thanks to the judges and the teams of our three breeding clubs who have been extremely busy preparing this exhibition for months and who are running it today.
We wish ourselves a good and smooth event, our guests from near and far many positive impressions and stimulating discussions, and the exhibitors every success.
Long live the Hovawart breed – ad multos annos!

Petra Paternostro – 1. Vorsitzende Hovawart-Club e.V.
Peter Busch – Stv. Präsident Hovawart Zuchtgemeinschaft Deutschland e.V.
Peter Thome – Präsident Rassezuchtverein für Hovawart-Hunde e.V.

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