Diabetiker-Warnhund: Der Weg vom Welpen zum Lebensretter
Assistenzhund Candy, ein Hovawart wird zum Diabetiker-Warnhund
Text und Fotos: Erich Gaa
Seit der Domestizierung des Wolfes unterstützen die Hunde den Menschen in seinem täglichen Umfeld. Dies geht vom Wachhund über den Herdenschutzhund bis hin zum Assistenzhund. Hier ist der Blindenführhund der wohl bekannte. Doch genau wie die Blindenführhunde gehören auch DiabetikerWarnhunde zu den ausgebildeten Assistenzhunden. Gut ausgebildete Warnhunde zeigen ihren Menschen eine drohende Unter- oder Überzuckerung an, noch bevor der Blutzuckerspiegel in eine lebensbedrohende Hypo- bzw. Hyperglykämie rutscht. Dadurch kann der Diabetiker rechtzeitig entweder Kohlenhydrate aufnehmen oder entsprechend Insulin zuspritzen.
Ich bin seit 2014 Diabetiker, da eine Operation an der Bauchspeicheldrüse nicht wie geplant verlaufen ist. Leider habe ich, da die Bauchspeicheldrüse komplett entfernt werden musste, große Probleme meinen Unterzucker zu registrieren bzw. den Abfall der Kurve zu fühlen. Daher befasste ich mich mit dem Gedanken, mir einen Assistenzhund zuzulegen. Allerdings wollte ich diesen nicht „fertig“ ausgebildet, sondern wollte mit ihm die einzelnen Ausbildungsschritte gehen, auch um zu begreifen, was das für Auswirkungen auf die Beziehung Mensch-Hund hat.
Somit kam für mich kein Hund aus dem Deutschen Assistenzhunde-Zentrum in Betracht. Auch einige Hunderassen wie Königspudel, Golden Retriever oder Labrador, die für diese Arbeit sehr geeignet sind, kamen für mich nicht in Frage. Ich wollte einen Hund mit Köpfchen, Energie, Wachsamkeit, Spaß an der Arbeit mit der Nase, Bezug zum Menschen und dennoch einer Portion Eigenständigkeit und eigener Persönlichkeit. Nach einigen Gesprächen im Familien- und Freundeskreis und nachdem ich die Hovawart-Hündin „Kayleigh“ unserer Freunde Corinna und Frank Henk näher kennenlernen durfte, stand für mich und meine Familie fest, es sollte ein Hovawart sein.
Nach einigen Besuchen und Vorstellungsgesprächen bei diversen Züchtern trafen wir auf Monika Schmitt und ihre Zucht „Hovawarte vom Remstalschlössle“. Monika war von der Idee, einen Hovawart zum Diabetiker-Warnhund auszubilden, begeistert und sagte uns sofort ihre Unterstützung zu. Aus ihrem A-Wurf, der am 25.04.2019 geboren wurde, erhielten wir 8 Wochen später unsere Hündin „Aika vom Remstalschlössle“, die von uns den Rufnamen „Candy“ erhielt. Candy bezauberte uns sofort mit ihrem liebevollen, einfühlsamen und auch neugierigem Wesen. Monika wurde mittlerweile zu einer guten Freundin, die uns auch heute noch mit Rat und Tat zur Seite steht und immer ein offenes Ohr hat.
Zeitgleich informierte ich mich über geeignete Trainer/-innen, bzw. Hundeschulen, mit deren Unterstützung Candy zum Diabetiker-Warnhund ausgebildet werden sollte, Auch hier waren leider umfangreiche Recherchen notwendig, an deren Ende ich auf die Hundeschule AnyDog von Evangelia Sindl in Worms stieß. Nach dem ersten telefonischen Kontakt wurde ein Vorstellungsgespräch vereinbart, in dessen Verlauf Candy bereits ersten Tests unterzogen wurde.
Im Alter von 6 Monaten begann für Candy dann das Ausbildungstraining. Zu diesem Zeitpunkt war noch nicht abzusehen, dass durch Corona die Trainingseinheiten und -situationen so stark beeinflusst wurden. Da es nicht möglich und auch gesundheitlich nicht vertretbar ist, den Diabetiker für das Training gezielt in eine Hypo- bzw. Hyperglykämie zu schicken, musste ich in entsprechenden Situationen Geruchsträger, z.B. T-Shirt, abnehmen. Nach der ersten Konditionierung auf diese Geruchsträger, war es Candy´s Aufgabe, diese zunächst in geschlossenen Räumen zu finden und anzuzeigen. Danach wurde das Ganze auch ins Gelände, in Fußgängerzonen und Einkaufszentren verlagert. Für das Anzeigen wählten wir die Form des Anstupsens. Zeitgleich erfolgte auch das Training für die Leinenführigkeit, die Distanzkontrolle und das Verhalten in bedrohlichen Situationen. Zuletzt wurde Candy noch darauf trainiert, während des Autofahrens Alarm zu geben, sollte es zu einem Hypo-Abfall kommen. Hierzu wurde eine Hundeklingel in der Hundebox angebracht, die Candy bei Bedarf bedienen musste. Diese Klingel kann auch zu Hause zum Einsatz kommen, sollte der Diabetiker nicht mehr auf das Anzeigen reagieren. Somit werden alle Familienmitglieder informiert, dass etwas nicht in Ordnung ist. Auch das Bringen der Mess- und Insulintasche wurde in das Training einbezogen. Nachdem diese Trainingsinhalte alle saßen, konnten wir als Team zur Prüfung antreten.
Zunächst mußte ich mich als Hundehalter einer Theorie-Prüfung unterziehen. Hier waren 50 Fragen zu beantworten. Am 25.11. 2021 kam es dann zur praktischen Prüfung in der Innenstadt von Worms. Hier zeigte sich erneut, wie sensibel Candy auf mein Verhalten reagiert. Meine Nervosität übertrug sich prompt auch auf meinen Hund. Dennoch gelang es uns, den Fokus auf das gemeinsame Arbeiten zu legen, und so ging es dann durch die Fußgängerzone und den Weihnachtsmarkt hinein in die Kaiserpassage und den dortigen Drogerie-Markt wo Candy´s Leinenführigkeit und die Distanzkontrolle überprüft wurden. Auch ihr Verhalten bei Begegnungen mit Hunden, Fahrradfahrern, Joggern, Rollstuhlfahrern usw. wurden getestet. Am Kaiserdom wurde dann die erste Hypo-Kompresse ausgepackt und Candy reagierte hervorragend. Nach einer Prüfung von ca. 90 Minuten waren wir schließlich zurück am Auto, wo dann die zuvor im Auto ausgelegte Kompresse von Candy sofort angezeigt wurde. Schließlich wurde noch das Tragen eines Maulkorbes überprüft und wir bekamen am Ende die Mitteilung, die Prüfung bestanden zu haben.
Candy darf sich fortan Assistenzhund-Diabetiker-Warnhund nennen und eine entsprechende Kenndecke tragen. Auch erhielten wir neben den Prüfungsergebnissen und der Prüfungsurkunde auch einen entsprechenden Ausweis. Dieser ermöglicht es uns alle Räume, auch für Hunde verbotene wie z.B. Supermärkte, zu betreten. Allerdings empfiehlt es sich dies im Vorfeld mit dem entsprechenden Betreiber zu klären.
Parallel zu der Ausbildung zum Diabetiker-Warnhund trainierten wir aber auch für die BH-Prüfung, diese steht dann im kommenden Jahr für uns an. Auch in der Obedience-Trainingsgruppe sowie der RZV-Übungsgruppe beim Hundesportverein Feudenheim durften wir mittrainieren und die ersten Schritte mit dem Trainerteam gehen. Es ist für mich erstaunlich, wie schnell Candy trotz ihres jungen Alters die vielen Trainingsinhalte aufnimmt und umsetzt.
Ich bin zu tiefst dankbar,
diesen tollen Hund zu haben
und kann nur jeden Ermutigen,
auch abseits der „normalen“ Einsatzfelder
eines Hovawartes, nach neuen Betätigungen
zu suchen.
Beitrag eingestellt vom Pressewart BaWü