Üble Parasiten
Flöhe, Zecken und Co. können schwerwiegende Gesundheitsprobleme verursachen
TEXT Dr. Claudia Veit
Parasiten, auf gut Deutsch Schmarotzer, leben definitionsgemäß von ihrem Wirt. Sie ernähren sich von der Nahrung, dem Blut, den Körperflüssigkeiten oder dem Gewebe ihres Wirtes, nutzen ihn also schamlos aus. (Das macht den Unterschied zu sogenannten Kommensalen und Symbionten, die nicht schädigen bzw. sogar zum gegenseitigen Nutzen beitragen.) Der Parasit wird von seinem erheblich größeren Wirt nicht nur unfreiwillig gefüttert, sondern erhält oft genug auch einen schützenden Lebensraum.
Wenn es für den Parasiten gut läuft, schädigt er seinen Wirt nur soweit, dass dieser nicht stirbt. Wäre der Parasitenbefall direkt tödlich, hätte der ungebetene Untermieter ja keine Chance, selbst zu überleben und seine Lebensziele „Fortpflanzung“ und „Verbreitung“ zu erreichen. Kleine Tiere, Jungtiere oder Wirte, die durch Stress, Mangelernährung oder zusätzliche Krankheiten geschwächt sind, können aber durchaus durch ihre Parasiten den Todesstoß bekommen. Da der Einzelne in der natürlichen Evolution völlig unwichtig ist, spielen gelegentliche tödliche „Unfälle“ in Form von Darmverschluss (Spulwürmer), Blutarmut (massenhafter Flohbefall), Lungenembolie (Herzwürmer) oder Verbluten (Ehrlichiose) etc. keine Rolle.
Wir überlassen unsere Haushunde keiner evolutionären Auslese, und auch nicht dem Glück oder Pech eines glimpflich verlaufenden oder tragisch endenden Parasitenbefalls. Also müssen wir sie wirksam schützen. Darüber wird es einen eigenen Artikel geben.
Welche Parasiten gibt es?
Ektoparasiten wie Flöhe, Zecken oder Milben leben auf der Körperoberfläche, obwohl manche Milben auch sehr tiefe Hautschichten besiedeln. Endoparasiten wie Würmer, Leberegel oder Kokzidien bewohnen das Körperinnere.
Stationäre Parasiten halten sich ständig auf oder in ihrem Wirt auf (z.B. Milben oder Würmer), temporäre Parasiten finden sich nur zur Nahrungsaufnahme dort ein (z.B. Flöhe).
Manche Schmarotzer beschränken sich auf einen Wirt (man nennt sie monoxene Parasiten), andere sind mehrwirtig (die bezeichnet man als heteroxene Parasiten).
Parasiten können größere Tiere sein (Zecken, Würmer) oder einzellig (Babesien, Giardien, Toxoplasmen).
Obwohl Tierchen wie Flöhe und Co. vergleichsweise winzig sind, können sie riesigen Schaden anrichten:
Parasiten fressen ihrem Wirt Nahrung, Blut, andere Körperflüssigkeiten oder Gewebe weg. So schädigen sie ihn ganz direkt. Ein Flohweibchen ist zwar nur 1 bis 4 mm groß und trinkt pro Mahlzeit vielleicht gerade mal 0,01ml Blut, also nicht mal einen Tropfen. Aber selbst diese winzige Menge addiert sich. Bei einem starken Befall ist der Blutverlust so massiv, dass eine Anämie (Blutarmut) entsteht. Bei kleinen Tieren sind dadurch sogar Todesfälle möglich. Steter Tropfen höhlt eben den Stein.
Schmarotzer belästigen ihren Wirt. Erhebliche Unruhe und Verhaltensänderungen sind die Folge. Die Wirtstiere sind weniger ausgeglichen, fressen möglicherweise weniger und nehmen entsprechend ab. (Ehrlicherweise spielt bei unseren wohlstandsverwöhnten, eher zu gut als zu knapp gefütterten Hunden ein Gewichtsverlust meist keine große Rolle.) Die betroffenen Tiere können Verhaltensauffälligkeiten entwickeln. Bei Training, Arbeit und Sport sind sie schlechter konzentriert und weniger leistungsfähig.
Bei Floh- und Milbenbefall wird die Haut durch häufiges Kratzen und Beknabbern mechanisch geschädigt. Der Haarausfall ist dabei noch das geringste Problem. Diese selbst zugefügten Verletzungen entzünden sich oft. Oberflächliche bis tiefe Hautentzündungen und nässende Ekzeme sind die Folge.
Würmer halten sich mit ihren Mundwerkzeugen an der Darmwand fest (schließlich wollen sie nicht schon beim nächsten Kotabsatz aus ihrem Paradies vertrieben werden!) und schädigen so die Darmwand direkt. Bauchweh, Unruhe, Nervosität, Darmentzündungen, wechselnde Durchfälle, Schleim und Blut im Kot sind möglicherweise die sichtbaren Folgen. Sind die Würmer zahlreich genug, können sie als mechanisches Passagehindernis zu einem tödlichen Darmverschluss führen.
Manche Wirte entwickeln allergische Reaktionen auf ihre Parasiten. Am bekanntesten ist beim Hund die Flohspeichelallergie. Dabei führt schon ein einzelner Flohstich zu massiven, unerträglich juckenden Hautentzündungen und Ekzemen.
Viele Parasiten übertragen ernstzunehmende Krankheitserreger. Die direkte Beeinträchtigung durch den einzelnen Insektenbiss ist dabei vergleichsweise lächerlich, die Infektion mit Malaria oder unheilbarer Leishmaniose absolut nicht. Und da kann schon buchstäblich ein Mückenstich reichen.
Parasiten übertragen zahlreiche Krankheiten:
Flöhe
Flöhe übertragen Bandwürmer, wenn sie vom Hund verschluckt werden. Deshalb soll nach jedem Flohbefall unbedingt mit einem bandwurmwirksamen Mittel entwurmt werden. (Übrigens hilft das von manchen Apothekern immer noch ohne Rezept abgegebene „Banminth“ eben nicht gegen Bandwürmer! Lassen Sie sich besser von Ihrem Tierarzt/Ihrer Tierärztin ein wirklich geeignetes Präparat geben.) Diese weltweit und ganzjährig verbreiteten Plagegeister können durch ihren Biss vermutlich aber auch Borreliose weitergeben. Bestimmte im Gewebe lebende Filarien (Hautwürmer) werden ebenfalls durch Flöhe übertragen. Beim Menschen war die Pest gefürchtet. Sie wurde durch Bakterien (Yersinia pestis) hervorgerufen und durch Rattenflöhe übertragen. Auch Rickettsien als Erreger von Fleckfieber werden durch Flöhe verbreitet.
Zecken
Die verschiedenen Zeckenarten übertragen einen ganzen Strauß unerfreulichster Krankheiten. Die bekanntesten und wichtigsten sind (in alphabetischer Reihenfolge) Anaplasmose, Babesiose (Hundemalaria), Borreliose (Lyme-Disease), Ehrlichiose, FSME (Frühsommer-Meningoencephalitis), Hepatozoonose, Rickettsiose (Fleckfieber) und Tularämie (Hasenpest). Nicht jede Zeckenart überträgt jede dieser Krankheiten, aber jede Zecke kann gleich mit mehreren verschiedenen Erregern infiziert sein.
In Süd- und Osteuropa kommen besonders viele dieser parasitenübertragenen Krankheiten vor, die auch als CVBD („Canine Vector Borne Diseases“) bezeichnet werden. Durch die enorme Zunahme von aus dem Ausland importierten Hunden und auf Reisen mitgenommenen, aber unzureichend vor Parasiten geschützten Hunden tragen leider immer mehr einheimische Zecken nicht mehr „nur“ Borreliose und FSME, sondern auch Erreger der früher mal als „Reisekrankheiten“ bezeichneten, oben aufgezählten Krankheiten in sich. Tierärztliche Laboruntersuchungen weisen mittlerweile vor allem Anaplasmose und Ehrlichiose immer häufiger auch bei Hunden nach, die niemals im Ausland waren. Die meisten dieser Erreger werden beim Stich übertragen, die Hepatozoonose durch das Verschlucken der infizierten Zecke.
Da Zecken ab einer Umgebungstemperatur von wenigen Grad über Null aktiv sind, kann man sich nicht darauf verlassen, im Winter von diesen Biestern verschont zu bleiben. In einer sonnigen, windstillen Senke im verschneiten Winterwald sucht selbst im eisigen Januar oder Februar so mancher Blutsauger sein nichtsahnendes Opfer.
Fruchtfliegen
Fruchtfliegen verbreiten den Tropischen Augenwurm (Thelazia callipaeda) und Pentastomiden (Zungenwürmer), die im Nasen-Rachen-Raum und den oberen Atemwegen parasitieren. Letztere werden hauptsächlich durch das Fressen von rohem Fleisch, Schlachtabfällen und Aas übertragen. Sie kommen vor allem in Südosteuropa und auf dem Balkan vor.
Stechmücken
Blutsaugende Mückenarten stellen hauptsächlich ein Risiko für Herzwürmer (Dirofilaria immitis) und Hautwürmer (Dirofilaria repens) dar. Vor allem diverse Schmetterlingmückenarten (Phlebotomen) sind gefährlich. Leider sind sie so klein, dass sie durch normale Moskitonetze und Fliegengaze mühelos hindurchschlüpfen. Dafür sind sie nur in der Dämmerung unterwegs und fliegen schlecht (bei einer kräftigen Brise ist das Risiko für einen Stich geringer als bei Windstille).
Herzwürmer besiedeln außer dem namensgebenden Hohlorgan auch die großen Blutgefäße in der Lunge. Diese Würmer erreichen eine Körperlänge von bis zu 30cm – das ist ein winziges Stückchen mehr als eine normale DIN-A-4-Seite. Und sie werden bis zu 12 Jahre alt – das ist mehr als die durchschnittliche Lebenserwartung mancher Hunderasse! Hautwürmer, die zu Juckreiz, Verdickungen der Unterhaut und Abszessen führen, stellen als Zoonoseerreger auch ein Risiko für den Menschen dar.
Am gruseligsten ist die Erkenntnis, dass Parasiten auch Verhalten steuern können.
Besonders eindrucksvoll finde ich in dieser Hinsicht den Entwicklungszyklus des Kleinen Leberegels (Dicrocoelium dendriticum bzw. D. lanceolatum). Dieser bis zu 15mm lange, mehrwirtige Parasit kommt u.a. bei Rindern, Schafen, Rehen, Schweinen, Kaninchen und Pferden vor, aber auch bei Menschen und Hunden. Befallene Landschnecken scheiden Schleimbällchen mit Leberegel-Larven aus. Ameisen fressen diese. Anschließend manipulieren die Larven ihren Zwischenwirt, nicht mehr ameisentypisch am Boden herumzukrabbeln, sondern sich an den Spitzen von Grashalmen festzubeißen. Das erhöht nämlich ganz gewaltig ihre Chance, vom angepeilten Endwirt beim Grasen mit verschluckt zu werden. Danach entwickeln sich die Leberegel, die vor allem in den Gallengängen parasitieren. Ihre Eier bzw. Larven werden mit dem Kot des Wirtstieres ausgeschieden. Landschnecken fressen diesen erregerhaltigen Kot … der Kreis schließt sich.
Auch die bei Katzen verbreiteten Toxoplasmen (Toxoplasma gondii) beeinflussen das Verhalten. Der im Zwischenwirt (Maus) lebende Einzeller will möglichst schnell und zuverlässig zu seinem bzw. genau genommen in seinen Endwirt (Katze) gelangen. Also sorgt er dafür, dass die Maus ihre natürliche Angst vor freien Flächen und vor Katzen verliert. Statt sich im Dunkeln zu verstecken und vor Katzen zu fliehen, bewegen sich toxoplasmose-infizierte Mäuse ungeniert im Hellen auf freien Flächen. Studien zeigen, dass sie sogar den normalerweise Angst und Schrecken verbreitenden Geruch von Katzenurin magisch anziehend finden. Sie laufen nicht weg, sondern hin! Das Risiko, gefressen zu werden, steigt dementsprechend. Also kann sich der Entwicklungszyklus in der Katze vollenden.
Mensch und Hund sind zwar keine Endwirte von Toxoplasma gondii, scheiden also auch – anders als Katzen – keine infektiösen Stadien aus. Allerdings lassen Untersuchungen beim Menschen vermuten, dass Toxoplasmose zu erhöhter Risikobereitschaft beiträgt. Vielleicht haben Sie einen Hang zu Bungeejumping und Freeclimbing, weil Toxoplasmen Ihr Gehirn gekapert haben? Toxoplasmen stehen auch im Verdacht, an Depressionen, Schizophrenie und Autismus beteiligt zu sein.
Bei Hunden wird ein Zusammenhang zwischen Wurmbefall und Verhaltensauffälligkeiten beobachtet. Die verhaltenstherapeutisch tätige Tierärztin Celina del Amo (Lupologic, Düsseldorf) berichtet in Ihrem Buch „Hundeverhalten unter der Lupe“ sehr anschaulich von Hunden mit offenbar parasitenbedingten Verhaltensstörungen. Noch vor Beginn einer geplanten Verhaltenstherapie verschwanden die Probleme einfach nach der Gabe einer Routinewurmkur! Würmer scheinen vor allem Angstprobleme, Unruhe, Schreckhaftigkeit, Konzentrationsschwäche und Trennungsangst zu verursachen oder zumindest zu fördern. (Es ist also nicht immer die Schilddrüse!).
Fazit
Parasiten schädigen ihren Wirt direkt und indirekt.
Parasiten übertragen ernsthafte, sogar unheilbare, tödliche Krankheiten.
Parasiten können Verhaltensstörungen verursachen bzw. verschlimmern.
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