Probleme beim Deckakt

Wollen oder können sie nicht?

Bis Sie mit Ihrer Hündin zum ersten Mal zum Deckrüden fahren können, haben Sie beide schon viele Hürden erfolgreich genommen. Die endlose Suche nach dem passenden Rüden war letztendlich auch erfolgreich. Ihr Haustierarzt hat eine Deckzeitpunktbestimmung durchgeführt. Und jetzt klappt das mit dem lang ersehnten Decken nicht. Warum zum Teufel nur?


TEXT Dr. Claudia Veit (Tierärztin, Mitglied im RZV-Zuchtbeirat und Deckrüdenbesitzerin)
FOTOS Petra Andrich, Birgit Schlüter, Jörg Kraatz

Im Vergleich zu anderen Rassen sind unsere Hovawarte nicht nur körperlich gesund, sondern auch instinktsicher. Künstliche Befruchtung und Kaiserschnitt gehören im RZV zum Glück nicht zum züchterischen Alltag. Allerdings funktioniert nicht jeder Paarungsversuch, und nicht jeder vollzogene Deckakt mündet in der Geburt eines Wurfs mit normaler Welpenzahl. Hier geht es nicht um das Leerbleiben, sondern um erfolglose Deckversuche.

Falsche Deckzeitpunktbestimmung
Hündinnen haben einen sehr variablen Zyklus. Von Individuum zu Individuum, aber auch bei ein- und derselben Hündin von Läufigkeit zu Läufigkeit kann der Zeitpunkt des Eisprungs erheblich abweichen. Die Faustregel „Tag neun bis 14“ stimmt nicht bzw. nicht immer. Ich habe schon Deckzeitpunktbestimmungen durchgeführt, wo der optimale Decktermin am fünften Tag der Läufigkeit lag (ungewöhnlich früh, aber es gab einen normalen Wurf). Den Rekord hält eine Deutsche Schäferhündin, die ihren ersten Wurf mit sieben Welpen nach Bedeckung an Tag 23 (da ist normalerweise alles lange rum!) hatte.
Manche Hündinnen sind innerhalb ihrer Läufigkeit nur sehr kurze Zeit deckbereit, andere fast während ihrer gesamten Hitze. Die genaue Beobachtung ihres zunehmend koketten Verhaltens reicht nicht immer aus, um den besten Zeitpunkt zu bestimmen. Und auch die Aufgeregtheit des eigenen oder des Nachbarrüden ist leider kein eindeutiger Indikator.
Sicherer ist die Deckzeitpunktbestimmung durch einen erfahrenen Tierarzt bzw. eine erfahrene Tierärztin. Die Betrachtung der Scheidenschleimhaut durch ein Spekulum und die Zelluntersuchung von Scheidenabstrichen allein ist unsicher. Sicherer ist die Messung des Hormons Progesteron aus Blutproben. Damit kann man die fruchtbare Zeit ziemlich genau feststellen. Lassen Sie Ihren Tierarzt unbedingt einen Progesterontest machen, der Zahlenwerte liefert, denn die verfügbaren Farbumschlagtests sind zu ungenau. Die erste Probe muss in den ersten Tagen nach Beginn der Läufigkeit genommen werden. Anzahl und Abstand der Nachtestungen hängen dann von der Höhe des Hormonspiegels und der Schnelligkeit bzw. Steilheit des Anstiegs ab.
Ich habe schon selbst erlebt und höre es immer mal wieder, dass der Ersatzrüde zum Zuge kommt, wo der Erstrüde erfolglos blieb. Vielleicht war die Hündin beim geplanten Partner noch zu früh, und beim zweiten Rüden stimmte der Zeitpunkt und es klappt deshalb auf Anhieb? (Es gibt andere Gründe, aber zumindest sollte man den falschen Deckzeitpunkt bei der Analyse des „Warum“ in Erwägung ziehen.)

Unerfahrenheit
Obwohl der Instinkt unseren Hunden sagt, was sie zu tun haben, kann Unerfahrenheit den Deckakt erschweren. Überall gilt: „Übung macht den Meister“. Warum sollte das in Liebesdingen anders sein?
Es gibt durchaus Naturtalente. Mein Kuno (Clou vom alten Schulweg) hat bei seinem „ersten Mal“ so souverän gedeckt, als ob er das schon x-mal getan hätte. Sein Vorgänger Bosse vom Donnerhall war dagegen so unbeholfen, dass ich dachte, es würde nie klappen (Aber es klappte dann doch noch und gab einen schönen Wurf.)
Es kann vorteilhaft sein, wenn einer der Paarungspartner schon etwas Deckerfahrung hat. Vor allem aber sollte wenigstens einer der beteiligten Menschen schon etwas einschlägige Erfahrung haben. Dann wird nämlich das gezeigte Verhalten besser beurteilt. Die entscheidende Frage ist doch „lassen wir sie noch ein bisschen oder machen wir jetzt besser erstmal eine Pause?“. Der RZV bietet Züchtern Beratung und Unterstützung durch Zuchtwarte und Deckpaten. Wenn Sie unsicher sind, lassen Sie sich begleiten.

Störungen
Nach Möglichkeit sollten Rüde und Hündin sich ungestört miteinander beschäftigen können. Ungestört bedeutet natürlich nicht unbeaufsichtigt!
Ein begrenztes Areal verbessert die Kontroll- und Eingreifmöglichkeiten der Besitzer. Es erschöpft die Hunde weniger, wenn sie beim Flirten und kokettierenden Wettrennen nicht durch einen ganzen 5000-Quadratmeter-Park laufen können, sondern der Platz eines Reihenhausgartens zur Verfügung steht. Auf einer kleineren Fläche ermüden die Hunde nicht so schnell. Außerdem sind die Besitzer schneller bei ihnen, falls nötig.
Das Hundepaar soll weder abgelenkt noch gestört werden. Ist der Rüde z.B. ein bekannter  Balljunkie, sollte im Deckareal kein Spielzeug herumliegen bzw. in Herrchens oder Frauchens Jackentasche lauern.
Es braucht Geduld, bis unerfahrene Hunde sich erfolgreich paaren. Wettrennen, Spielen und unvollendete Deckversuche gehören dazu. Das rechtfertigt m.E. nicht, die Hündin festzuhalten, jedenfalls nicht sofort und von Anfang an. Andernfalls entspricht die Paarung eher einer Vergewaltigung. Erst wenn der Rüde umsteigt und die beiden Hunde „hängen“, nimmt jeder Besitzer sein Tier in den Arm.
Erst recht darf man nicht zu früh die Geduld verlieren. Gut Ding will Weile haben! Je nach Wetterbedingungen und Kondition brauchen die Hunde immer wieder Pausen. Beide Partner (und ihre Besitzer) können ausruhen und etwas trinken (die Hunde nur Wasser). Und dann probiert man nach einer Erholungsphase wieder.

Antipathie
Zwar wird Hunden nachgesagt, dass sie sich wahl- und hemmungslos miteinander paaren, aber das stimmt längst nicht immer. Es gibt Fälle, wo die Deckpartner sich eben nicht attraktiv genug finden, um sich zu paaren. Es gibt auch für uns Menschen die Theorie, dass der Körpergeruch signalisiert, ob es „passt“, d.h. ob das Immunsystem der Partner harmoniert. Warum sollte das ausgerechnet beim Nasentier Hund grundlegend anders sein?

Psychische Deckhindernisse beim Rüden
Der Rüde braucht neben körperlicher Kondition und einem schmerzfreien Bewegungsapparat für einen erfolgreichen Deckakt auch Selbstbewusstsein und Durchsetzungsvermögen. Sehr junge Rüden decken möglicherweise (noch) nicht, ein oder zwei Jahre später dann aber problemlos.
Das „erste Mal“ sollte möglichst (vor allem bei eher sensibleren Herren der Schöpfung) nicht ausgerechnet mit der vereinsbekannten Zicke stattfinden, an der sich zuvor schon drei erfahrene Deckrüden die Zähne ausgebissen haben.
Wenn ein körperlich gesunder Rüde nicht deckt, sollte er auch nicht mittels Samenspende Vater werden. Der normale Ablauf des Paarungsverhaltens gehört zu den erblichen Merkmalen. Störungen sollten genauso zum Zuchtausschluß führen wie z.B. schwere HD.

Psychische Deckhindernisse bei der Hündin
Manche Hündinnen finden sehr stürmisch-aufdringliche Rüden nicht gerade verführerisch. Bei einer umsichtigen Zusammenführung siegen aber normalerweise ihre Hormone.
Verhaltensgestörte, vor allem überaggressive Hündinnen lassen sich nicht decken. Sie können einen jungen oder sensiblen Rüden nachhaltig beeindrucken und sein künftiges Deckverhalten stören.
Lebt eine Hündin zuhause mit einer sehr dominanten Hündin zusammen, kann es sein, dass sie sich auswärts nicht decken lässt. Die Botschaft „Wehe Du kommst mir schwanger heim“ wird verstanden und befolgt. Anekdotisch wird berichtet, dass die Zufütterung der Aminosäure L-Tyrosin bei Hündinnen die Deckbereitschaft verbessert. Besprechen Sie mit Ihrem Tierarzt/Ihrer Tierärztin, ob Sie das probieren wollen.
Wenn sich eine gesunde Hündin nicht decken lässt, sollte sie auch nicht mittels Samenspende Mutter werden. Der normale Ablauf des Paarungsverhaltens gehört zu den erblichen Merkmalen. Störungen sollten genauso zum Zuchtausschluß führen wie z.B. schwere HD.

Körperliche Deckhindernisse beim Rüden
Grundsätzlich sollten kranke Rüden, Rüden mit Schmerzen (sei es durch akute Verletzungen, sei es durch chronische Prozesse wie z.B. Arthrose) und Rüden mit Herzproblemen nicht decken. Wenn sie es überhaupt wollen bzw. können, könnten sich die Gesundheitsprobleme verstärken und die Deckbereitschaft grundsätzlich mindern.
Eine Phimose (=Verengung der Vorhaut) kann die Vorlagerung des Penis erschweren oder ganz verhindern. Je nach Ausmaß kann der Penis bei dieser harmlosen Missbildung selbst im nicht-erigierten Zustand nicht aus der Vorhaut vorgelagert oder im erigierten Zustand nicht rückverlagert werden. In starken Fällen kann sogar der Urinabsatz gestört sein. Decken ist so jedenfalls unmöglich. (Üblicherweise wird eine Phimose schon beim jungen Rüden durch eine kleine Operation korrigiert.)
Normalerweise hat der Rüde spätestens ab der Pubertät kein Frenulum (= Bändchen) mehr zwischen Eichel und Vorhaut. Besteht diese Verbindung aber noch, kann sie das vollständige Ausschachten des Penis und so den Deckakt be- bzw. verhindern.
Ein zu kleiner Penis, ein zu kurzer oder z.B. nach einer Fraktur (Bruch des Penisknochens) verkrümmter Penisknochen sind anatomische Deckhindernisse. Der Rüde will, kann aber nicht.
Nicht angelegte oder nicht funktionstüchtige Hoden beeinträchtigen die Libido; der Rüde könnte zwar decken, hat aber keine Lust. Fehlende Hoden haben den gleichen Effekt. Liegen die Hoden allerdings nicht im Hodensack, sondern in der Leiste oder ganz in der Bauchhöhle (der sogenannte Kryptorchismus), sind Libido und Potenz unbeeinträchtigt. Die nicht abgestiegenen Hoden haben ein deutlich erhöhtes Krebsrisiko, deshalb werden sie üblicherweise chirurgisch entfernt. Da Hodenhochstand erblich ist, sollte mit betroffenen Rüden nicht gezüchtet werden.
Zwitter und andere genetische oder hormonelle Abweichungen von der Norm können zu anatomischen Veränderungen, Deckstörungen und Unfruchtbarkeit führen.

Körperliche Deckhindernisse bei der Hündin
Analog zum Rüden sollten natürlich auch kranke Hündinnen, Hündinnen mit Schmerzen und Hündinnen mit Herzproblemen nicht gedeckt werden. Gesundheitsprobleme könnten sich verstärken und der Hündin schaden. Eine Hündin, die nicht in optimaler Verfassung ist, wird Trächtigkeit und Geburt schlechter überstehen (wenn sie überhaupt schwanger wird) und ihre Welpen schlechter versorgen.
Hündinnen haben normalerweise kein Hymen (=Jungfernhäutchen). Gelegentlich kommt so etwas aber doch vor. Wenn dieses Häutchen so stabil ist, dass der Rüde es beim Deckakt nicht durchstoßen kann, ist eine erfolgreiche Paarung nicht möglich.
Sogenannte Scheidenspangen sind Reste der Müllerschen Gänge, aus denen während der Embryonalentwicklung Eileiter, Gebärmutter und Scheide entstehen. Sie können durch einen kleinen chirurgischen Eingriff getrennt bzw. entfernt werden. Dazu ist oft nicht einmal eine Vollnarkose nötig. (Leider weiß ich nicht, ob die Scheidenspangen erblich sind. Dann müsste das natürlich bei der Zuchtauswahl berücksichtigt werden.) Scheidentumoren können ebenso wie zu klein ausgebildete Schamlippen (Vulvahypoplasie), Verengungen innerhalb der Scheide, Narben im Genitalbereich und vorgefallenes Scheidengewebe den Deckakt behindern. Zwitter und andere genetische oder hormonelle Abweichungen von der Norm können zu anatomischen Veränderungen, Deckstörungen und Unfruchtbarkeit führen, sind aber sehr selten.

Fazit:
Treffen Sie alle notwendigen Vorbereitungen (Deckzeitpunktbestimmung mit Progesterontest, ungestörter Platz für das Kennenlernen und die Paarung der Hunde) und verhindern Sie möglichst, dass der Deckakt unter Zeitdruck stattfindet. Und dann: Vertrauen Sie den Hunden und ihren Instinkten. Greifen Sie nicht zu früh ein. Lassen Sie den Dingen ihren Lauf und legen Sie rechtzeitig Erholungspausen ein.

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihren Zuchtplänen!


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Beitrag eingestellt durch presse.olnds

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