Babesiose
Die durch Zecken übertragene Krankheit ist mitten in Deutschland angekommen
Die Zeckensaison beginnt wieder, ab 5°C liegen die ersten wieder auf der Lauer und machen sich unbeliebt. Und alljährlich geht die Diskussion zwischen den Verfechtern alternativer Methoden und den Verwendern der hartnäckig umstrittenen „Tabletten“ los. Wie schon Dr. Claudia Veit in einem ihrer Beiträge festgestellt hat, sind durch Zecken übertragene Krankheiten nicht ohne und erfordern vom Hundeführer rasches Handeln. Eine Erkrankung, die man für eine Mittelmeerkrankheit gehalten hat, kann hund sich im Magdeburger Umland aufsammeln, wo die Auwaldzecke seit 1973 (!) zuhause ist. Die Babesiose ist auch ohne Fernreise beim heimischen Spaziergang zu erwerben. Ganz nebenbei: Wer auf’s „Zeckenhalsband“ schwört, der muss noch entscheiden, ob es im Sinne des abwehrenden Effekts besser locker oder ganz eng angelegt wird – da gibt es wohl unterschiedliche Meinungen.
Peggy Ebel hat mit ihrem Hund Azzuro vom Oldesloer Land genug erlebt, um eine eindeutige Meinung zur Abwehr der Lästlinge zu haben. Ein Erfahrungsbericht.
TEXT Peggy Ebel FOTOS Monique Gottschalk
Dienstag, 12.10.2021: Aro wirkt unruhig und will sich nicht hinlegen, frisst und trinkt aber normal. Die Untersuchung beim Tierarzt ergibt 39,6° Fieber, erhöhte Puls- und Atemfrequenz. Als Verdachtsdiagnose wird Anaplasmose / Borreliose genannt. Das ist wohl schon öfter aufgetreten mit diesen Symptomen. Die Behandlung mit dem üblichen Antibiotikum wird begonnen, Doxycyclin, dazu Fiebersenker und Schmerzmittel. Schongang und Schonkost. Ok, das krieg ich hin. Der frisst ja alles. Leider…
Ab Mittwoch bis Samstagmorgen deutliche Besserung. Am Samstagmittag kommt das böse Erwachen. Bis in den Sonntagmorgen hinein erbricht Azzuro sich ständig. Futter und Wasser werden komplett verweigert. Immer apathischer werdend sitzt der Hund da und hechelt, hinlegen ist ihm nicht möglich. Am frühen Sonntagmorgen um 5.30 Uhr zeigt das Fieberthermometer 40,8°. Ach du Sch… Keine Überlegung mehr. Wer hat Notdienst bzw. wo ist die NÄCHSTE Tierklinik? Ich erreiche die Bereitschaftstierärztin um 6.15 Uhr sonntagmorgens – HUT AB! – schildere die Symptome und soll SOFORT kommen. Es sind ja immer noch 40 Minuten Fahrweg.
In der Praxis wieder Fiebermessen, 40,2°C. Gut, das Auto war kühl, ich hab Heizung extra ausgeschaltet gelassen. Venenkatheter rein, Blutproben genommen, Tropf dran, Fieber und Schmerzmittel intravenös. Warten auf die Blutwerte… Und dann die Ergebnisse: Leberwerte viel zu hoch, Nierenwerte viel zu niedrig, massive Blutarmut. Die Tierärztin macht noch einen Ausstrich von dem Blut und schickt zusätzlich Material für einen PCR-Test ins große Labor. Das Ergebnis dieses Tests wird erst in 24 Stunden vorliegen. Sie braucht noch eine Urinprobe, ok, der Hund hängt seit vier Stunden am Tropf, da sollte wohl was zu holen sein. Gesagt, getan. Das Ergebnis der Urinprobe bestätigt den ersten Verdacht.
BABESIOSE! Ist das nicht eher ’ne südlichere Krankheit? Von wegen, die Babesiose ist inzwischen in Mitteldeutschland angekommen. Wird von Zecken übertragen. OK, aber mein Hund trägt doch ein (namhaftes) Zeckenhalsband!?! Die Tierärztin lacht nur. Zeckenhalsbänder seien nur für Kurzhaarhunde effektiv, bei dem Pelz eines Hovawartes müsste man die Hunde damit strangulieren, damit der Wirkstoff an die Haut gelangt und wirken kann, erfahre ich. Ok, ab und zu hatte mein Aro eine Zecke, aber auf diese Begründung wär ich nie gekommen. Also, nach fünf, sechs Stunden Untersuchung, Infusion und neuer Diagnose wird erstmal ein Medikament gegen Babesiose (Carbesia) gespritzt. Ich bekomme Fieber- und Schmerzmittel mit und soll meinen Hund weiter gut beobachten.
Die Nacht zum Montag ist deutlich ruhiger für alle Beteiligten, die Medis schlagen wohl an. Am Montagmorgen ist Aros Temperatur bei 38,2°. Ok, das geht in den Normalbereich, und ich fahre einigermaßen beruhigt zur Arbeit.
Am Nachmittag komme ich nachhause und der Hund sitzt wieder da, hechelt, röchelt, ist apathisch, und wir fahren gleich wieder zum Tierarzt. Wieder Tropf, wieder Fieber und Schmerzmittel, und Ergebnis vom PCR-Test ist auch da. Es ist tatsächlich eine Babesiose, der amtlich bestätigte Fall in unserem Landkreis. Die Infusionen helfen, und der Hund erholt sich zusehends. Aber das Röcheln ist noch da, das klären wir noch ab, also wird der Brustkorb geröntgt. Das Röntgenbild ist erschreckend. Wer schon mal ’ne Covid-Lunge gesehen hat, der weiß, was ich meine. Durch die Babesien hat es überall ins Gewebe eingeblutet. Diese Flüssigkeit muss da auf jeden Fall raus, sonst kann der Hund nicht atmen. Meine Tierärztin gibt nen Guti, der wird mitsamt Fingern dankend angenommen.
(Sorry, Christiane, dass ich gelacht hab, aber ich hab mich so gefreut, dass er etwas nimmt. Juchhu, der frisst wieder!).
Und so geht es in den folgenden Wochen weiter: Alle zwölf Tage zum Bluttest, nach zwölf Tagen die zweite Spritze Carbesia, ein Herzmedikament zum Flüssigkeitszentzug aus den Organen, Vitamin B-Komplex zur Blutbildung und allgemeinen Stärkung, nach vier Wochen erneutes Röntgen des Brustkorbs zur Therapiekontrolle und außerdem intensive Beratung zwecks Zeckenschutz. So was wollen wir nicht noch einmal erleben!
STAND JETZT Ende Januar 2022: Aro hat sein altes Gewicht fast wieder, er war in dem Zeitraum von 36kg auf knapp 31kg runter. Eine leichte Herz- und Lungeninsuffizienz ist geblieben, die kriegen wir mit 1 Tablette Cardalis täglich gut gehändelt. Die Leber- und Nierenwerte sind wieder normal.
Mein Fazit: Effektiver Zeckenschutz ist enorm wichtig, und nein, ich mache keine Werbung für irgendwas, das muss jeder für sich und seinen Hund selbst entscheiden. Bei so diffusen Symptomen sollte man nicht nur die „üblichen“ Zeckenkrankheiten auf dem Schirm haben, auch beim ersten Bluttest auf Babesiose-Testung bestehen. Von den sechs Hunden im Landkreis mit der Diagnose Babesiose haben zwei überlebt. Einer davon ist mein kleiner Kämpfer.
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