Faszination Hundesport
Fährtenlust – eine Schritt für Schritt Anleitung
Nase in den Wind – die Leinenspannung steigt – hat er wieder was in die Nase bekommen, der Schlingel. Manchmal möchte ich Hund sein und all die wunderbaren Dinge riechen können, die unsere Hovis oft dermaßen begeistern, dass manch einer alles um sich herum vergisst: Hase? Reh? Kontrahent? Käsebrötchen?
Und ich mag mich jedes Mal kringeln vor Freude, wenn es gelingt, diese Faszination etwas umzulenken, in die Freude am gemeinsamen Arbeiten an einer Geruchsspur meiner Wahl. Und, wenn ich es schaffe, dass der Hund dann zu „meinen“ Regeln irgendwann darüber zu mir voll stolz durch seine Körpersprache sagt:
„Ich hab‘s erfunden. Schau, so geht das!“
TEXT Sonja von Aschen FOTOS RZV-Fotoarchiv
Fährtenarbeit ist dazu eine der Möglichkeiten, noch dazu eine, die meine Hunde und mich glücklich macht.
Für mich ist der Blick eines durch gemeinsame Arbeit zufriedenen Hundes unbezahlbar. Kann man natürlich auch durch andere Hunde-Arbeit erreichen, aber Fährtenarbeit hat ein paar Vorteile.
Was ist „Fährte“ im Hundesport überhaupt?
„Fährte“ im Hundesport bedeutet: Ein Mensch (=der Fährtenleger) geht über Feld/Wiese/Brachland (=Fährtengelände) und lässt dabei feuerzeuggroße Dinge fallen (=Fährtengegenstände, z.B. aus Leder, Holz, Plastik, Stoff). Der Fährtenleger geht geradeaus, oder im Bogen, er geht auch Winkel von 90 bis zu 30 Grad. Durch sein Gehen drückt er den Boden/Bewuchs unter seinem Fuß zusammen und „matscht“ dort die Bodenorganismen zusammen. Diesen Geruch riecht der Hund, zusammen mit einer Prise Individualgeruch des Fährtenlegers. An der Stelle, an der der Fährtenleger startet, steckt er links neben den ersten Tritt ein kleines Holzschild (=Fährtenschild/Abgangsstecker) in das Fährtengelände. Laut Prüfungsordnung werden die Fährten zwischen 20 Minuten und 3 Stunden nach dem Legen vom Hund gesucht.
Der Hund nimmt am Fährtenschild, am ersten Tritt des Fährtenlegers, den zu folgenden Geruch auf und soll ihn dann sicher und ruhig absuchen, mit der Nase in jedem Tritt des Fährtenlegers – und sich durch nichts davon ablenken lassen! Die auf der Fährte liegenden Fährtengegenstände, muss er auf genau definierte Art zeigen und warten, bis der Hundeführer ihn weitersuchen schickt. Der Hundeführer ist in der Prüfung in der Regel 10 Meter hinter seinem Hund (am Ende der 10 Meter langen Fährtenleine) und darf ihn bei der Sucharbeit weder sicht- noch hörbar beeinflussen.
Was mich daran fasziniert?
Zum Beispiel, dass ich beim Fährten nicht immer jemanden dazu brauche, sondern nur ein Stück Feld, meinen Hund und mich. Damit bin ich zeitlich sehr flexibel. Irgendwann lege ich die Fährte und irgendwann suche ich sie. Manchmal direkt nach dem Legen, manchmal auch erst nach 15 – 24 Stunden, wie es eben gerade reinpasst. Mit meiner ziemlich unfähigen menschlichen Nase kann ich mir kaum vorstellen, was Hunde alles riechen können. Aber in der jahrelangen Arbeit mit Hunden habe ich Dinge gesehen und erlebt, die ich vorher für unglaublich hielt. Und, mit dem Fährten ist man nie fertig. Mir fallen ständig neue Varianten und Herausforderungen ein.
Die Kunst beim Fährten ist nicht, dem Hund beizubringen zu riechen, das kann er ganz gut alleine und viel besser, als wir es uns vorstellen können. Die Kunst ist, wie erkläre ich dem Hund, welchem Geruch er bitte zusammen mit mir folgen soll, von dem er sich nicht ablenken soll. Auch nicht, um nur eben mal kurz zu gucken, was drei Meter weiter gerade so faszinierend riecht, sondern dem er vielmehr treu, zuverlässig, also in hoher Konzentration, auch mal über Asphaltstraßen, gefrorene Pfützen, in der Sonne gebackene Erdschollen und unkrautartigem, hüfthohen Zwischenbewuchs folgen soll.
Dazu muss ich dem Hund außerdem erklären, warum er doch bitteschön diese hoch konzentrierte Arbeit bis zu siebenmal einfach so unterbrechen soll, wenn da ein vom Fährtenleger „verlorener“ Gegenstand liegt.
Ich sage Ihnen: Das macht mega Spaß! Denn mir gehen nie die Ideen aus, es für mich und meinen Hund interessant zu gestalten. Wir haben Spaß.
Aller Anfang ist klein…
…aber grundlegend. Schließlich braucht ein Erstklässler auch fast ein ganzes Schuljahr, bis er alle Buchstaben unseres Alphabets kennt und sich dann langsam immer mehr und immer längere Wörter erschließen kann. Aber: Schummelt ein Erstklässler, indem er Buchstaben überspringt, oder das mühevolle Üben der Buchstaben sein lässt, weil ihn die Feinmotorik echt anstrengt, holt ihn das später in den Folgeklassen bitter ein, da er immer wieder auf seine Lücken stoßen wird, die dann flüssiges Lesen sehr schwierig werden lassen.
Am Anfang der Fährtenarbeit lege ich sehr viel Wert auf kleine Aufgaben, verlange diese vom Hund aber von der ersten Mini-Fährte an in höchster Konzentration und Exaktheit. Irgendwann später, viel später, wenn die Grundlagen sitzen, kommt dann die Länge einer Fährte fast automatisch. Unsere Prüfungsfährten gehen ja schon bei kurzen 300 Schritten los und die längsten bis zu einer Mindestanzahl von 1.800 Schritten (des Fährtenlegers).
Wie ich das mit meinem Hund erreichen kann?
Üben, Üben, Üben – und zwar richtig! Üben macht aber nur Sinn, wenn ich jederzeit sagen kann, warum ich tue, was ich tue. Wenn ich nur sagen kann: „Das haben wir schon immer so gemacht.“ reicht mir das nicht.
Wie geht’s los, wie fange ich mit Fährten an?
Erste grundlegende, gleichzeitige Ziele: Der Hund muss die Verknüpfung herstellen, welchem Geruch er folgen soll. Er muss lernen, dass es sich immer lohnt, diesem Geruch zu folgen. Und der Hund erkennt den Gegenstand als etwas auf seiner Fährte, wofür sich ein Anhalten immer fulminant lohnt.
Dazu hat sich folgender Übungsaufbau bewährt:
Erste Übung (ein- bis dreimalige Wiederholung reicht)
Vorbereitung: Das Fährtenschild steckt immer links neben meinem ersten Tritt. Der erste Tritt ist ein Doppeltritt (beide Füße nebeneinander), das ist ein richtig stark ausgetretener Tritt. Durch das starke Treten erreiche ich, dass ich ganz genau sehe, wo der Tritt endet. Es entsteht dadurch eine sehr deutliche Bodenverletzung, die sich im Geruch stark von den nicht zusammengetretenen Flächen unterscheidet. In diesen Doppeltritt, ausgetretene Fläche von ca. 30 cm auf 30 cm, lege ich Leckerlis, tendenziell sehr hochwertige und optisch vom Untergrund kaum zu unterscheidende
Durchführung: Der Hund sitzt ca. 30 cm vor dem Abgangsschild in Grundstellung (wenn der Hund das schon kann), schaut mich an und darf erst auf mein „Such“ seine Nase nach unten in den Tritt stecken und alle Leckerlis verspachteln, die er finden kann. Um seine Intensität zu steigern, kann ich ihn kurz bevor er das letzte Leckerli fressen kann, aus dem Tritt herausheben/ziehen und die Übung beenden.
Ziele: Der Hund lernt auf mein „Such“ zu warten, bevor er startet. Der Hund wird selbstständig lernen, dass das Futter nur innerhalb des Trittes liegt, normalerweise muss ich ihn nicht darauf hinweisen, denn grundsätzlich gilt: Was der Hund selber durch eigene Erfahrung lernt, ist nachhaltiger als das, was ich ihm vorgebe.
Zweite Übung (drei- bis fünfmalige Wiederholung reicht)
Vorbereitung: Fährtenschild korrekt stecken, Doppeltritt daneben, dann Fuß vor Fuß setzen, dass eine einlinige, ununterbrochene geschlängelte Spur entsteht, ca. 10 – 20 Schritte lang, am Ende liegt ein Gegenstand. In jeden Tritt zwei Leckerlis verteilen. Wenn man nicht so gelenkig ist, kann man erst mal nur die Tritte zum Fährtenende machen und dann daneben zurückgehen und dabei in die „echte“ Fährtenspur die Leckerlis legen. Dabei lernt der Hund auch gleich, die richtige Fährte von anderen, verleitenden Spuren zu differenzieren.
Durchführung: Auf „Such“ geht die Nase in den ersten Doppeltritt. Mit der Leine wird der Hund sanft und absolut konsequent gehalten, dass er auf der Spur immer erst weiterkommt, wenn er das Leckerli gefressen hat. Hier merkt man im Vollzug, wie wichtig sehr leckere Leckerlis sind, denn wenn der Hund unbedingt schon zum nächsten Leckerli möchte, und man ihn ausbremst, da er das Leckerli direkt vor seiner Nase noch nicht gefressen hat, dann begegnet man oft einem sturen Dickschädel der nicht bereit ist von seinem Streben nach dem Leckerli „da vorne“ abzusehen.
Und wenn man dann selber den stureren Dickkopf hat, stellt sich schnell der Erfolg ein: Der Vierbeiner belohnt sich selber, indem er nachgibt und dann doch das leckere Leckerli direkt vor seinen Füßen doch noch findet. Erst danach darf er dann „endlich“ nach vorn zu dem Leckerli weiter, das er schon die ganze Zeit angeschmachtet hat.
Wenn die Leckerli zu gewöhnlich sind, hat man hier manchmal schon ein Problem, da der Hund seine Nase nicht mehr nach unten richten möchte, einfach versteinert und nicht bereit ist, nach unseren Regeln (langsam und kontrolliert) das Spiel „Fährte“ zu spielen. Schließlich ist er ein stolzer Hund, der nicht alles einfach macht, nur weil man es ihm sagt.
Auf dieser Art Fährte wird der Hund den Gegenstand am Ende einen Moment interessiert beschnüffeln, da er ja ein Leckerli erwartet, aber nur ein „Etwas“ findet (vgl. Abb. li.). Hier gilt es sehr schnell zu sein und in dem Moment, wo die Nase interessiert am Gegenstand ist, sofort was ganz Leckeres auf den Gegenstand herunterfallen zu lassen (z.B. Käsestücke, Leberwurst). Und damit ist die Fährte beendet und der Hund bekommt seine ganz tolle leckere Fährten-End-Belohnung.
Ziele: Der Hund lernt, dass er schneller zum Ziel kommt, wenn er sich an die Leinen-Regel hält, die ihm sagt: Wenn die Leine mich blockiert, muss ich intensiver dort suchen, wo ich gerade stehe und nicht nach vorne wittern. Wenn ich das tue, dann habe ich leckeren Erfolg vor meinen Füßen (oder ein Lob) und es geht auch schneller weiter.
Der Gegenstand wird als ein tolles Ereignis auf der Fährte wahrgenommen, wofür es sich lohnt anzuhalten. Die korrekten Anzeige-Positionen kann man nach und nach erarbeiten, auch außerhalb der Fährte, wenn man möchte.
Weiterarbeit:
Als nächstes sollten folgende Ziele erreicht werden:
* Der Hund sollte sein tiefes Suchverhalten nicht ändern, auch wenn kein Leckerli im Tritt liegt. Hierzu hat sich ein Stimmlob (oder Klicker) bewährt, damit der Hund wirklich weiß, was ich von ihm erwarte, z.B. „Yes“ immer in dem Moment, wenn die Nase tief im Tritt ohne Leckerli ist. Wichtig: Die Leine lässt erst dann zu, dass der Hund weiter geht, wenn er seine Nase im Tritt hatte – auch wenn da kein Leckerli ist!
* Die einlinige Spur geht in eine normale Rechts-Links-Spur über. Auch hier gilt: Den Hund nicht schummeln lassen!
* Die Leckerlis werden nun rasch abgebaut, so dass schnell nur noch ca. 2-3 auf 10 Schritte liegen. Damit überprüft man, ob der Hund einfach Leckerli sucht, oder tatsächlich die erwünschte Verknüpfung zum Fährtenleger-Tritt hergestellt hat. Am Ende steht immer die mega-leckere End-Bestätigung mit Futter (manchmal auch Spielzeug), damit sich der Hund trotz aller Regeln zusammennehmen muss und weitermachen möchte, um seine Endbestätigung zu bekommen. Und wenn am Ende der Hund erfährt, dass wir voller Stolz und Anerkennung für seine tolle Leistung sind, gibt das für unsere Hunde in der Regel nochmal voll den Motivationsschub.
* Weiteres Ziel sollte sein: Langeweile (für Mensch und Hund) auf jeden Fall vermeiden!
Stattdessen unendliche Varianten zeigen, innerhalb der möglichen Konzentration (die sich nach und nach steigern wird). Ich bleibe sehr lange mit meinen beginnenden Hunden bei 50 bis 150 Schritt und zeige ihnen dabei allerlei verschiedene Boden- und Witterungsverhältnisse, unterschiedliche Schrittlängen und -stärken, verschiedenste Formen mit allen möglichen Winkeln.
Diese kurzen Fährten mache ich vor allem aus folgendem Grund: Wenn wir Probleme haben, die den Hund und mich Kraft, Zeit und Nerven kosten, dann kommen wir auf diesen kurzen Fährten doch immer bis ans Ende und bis zur mega-leckeren, motivierenden Fährten-End-Belohnung.
* Möglichst darauf achten, den Schwierigkeitsgrad Mensch und Hund anzupassen. Nicht alles auf einmal üben wollen, aber auch nicht immer nur babyleichte Aufgaben stellen, sonst fühlt sich der Hund nicht ernst genommen, mit allen spannenden Folgen, die unseren Hovis dann so einfallen.
Um allerdings so arbeiten zu können, ist es zwingend notwendig, dass ich ganz genau weiß, wo meine Fährte ist. Wenn der Hund soweit ist, arbeite ich im Training fast immer mit der 10 Meter Leine, muss aber trotzdem bis auf ca. 15 cm wissen, wo meine Fährte ist, sonst kann ich nicht sinnvoll trainieren. Für mich hat sich rote Fährtenkreide bewährt (geht auf den meisten Fährtengeländen), da die Hunde es wirklich nicht als Markierung wahrnehmen. Ich praktiziere das seit vielen Jahren. Und natürlich habe ich auch mein kleines Fährtenbuch, in das ich meine Fährten eintrage und Dinge notiere, die auffällig waren und die ich beim nächsten Mal berücksichtigen möchte. Falls die Möglichkeit besteht, ist es auch sehr hilfreich, wenn jemand die Fährte filmt, Mensch und Hund, um sich selber danach noch einmal in Ruhe in Zeitlupe zu reflektieren.
Und ich muss natürlich wissen, wo ich hin möchte. Sprich: Ich muss vor Augen haben, wie eine sehr gute Fährtenarbeit aussieht, damit ich gezielt darauf hintrainieren kann, mit Fantasie, Kreativität und viel Freude am Ausprobieren und um zum Team zusammenzuwachsen.
Fährte ist übrigens eine sehr spannende Prüfungssache. Auf den langen Fährten kann in den drei Stunden bis zum Ansetzen des Hundes nämlich viel passieren. Da können Rehe und spazierengehende Hunde drüberjagen, da kann der Bauer mit dem Traktor durchfahren, es kommt ein Wolkenbruch oder ein Schneefall, der auf den Gegenständen Schneehauben macht. Tote Tiere habe ich auch schon auf meinen Prüfungsfährten gefunden und auch einmal einen großen Apfelhaufen, wo der Fährtenleger keine andere Chance hatte als mitten durch zu stapfen. Auch schon den Kugelschreiber des Fährtenlegers oder auch mal seinen Pulli. In welcher anderen Disziplin hat man so tolle Überraschungsmöglichkeiten!?
Also ran ans Fährten: Hund schnappen, Leckerlis nicht vergessen, Bauer fragen und bezirzen, dass man auf seine Felder darf (und natürlich weder Abfall noch massive Pflanzenschädigungen hinterlässt), und los geht’s!
Und bei Problemen, bei denen man selber keine Ideen mehr hat – fragen. Auch gerne mich.
Zur Autorin:
Sonja von Aschen hat an vielen RZV-, IHF- und VDH-Meisterschaften erfolgreich teilgenommen. Sie ist RZV Deutsche Meisterin und IHF Weltmeisterin im Fährtensport.
Die Beitragsfotos zeigen Sonja mit ihrem blonden Rüden Dino vom Kilianstein (DM und WM 2024), sowie dessen Vorgänger Morro aus dem Emsland (DM 2021).
Beitrag eingestellt durch presse.olnds