Hüftgelenksdysplasie
Warum ist HD-Röntgen wichtig?
Selbst wenn man nicht plant, mit seinem Hund zu züchten, sollte man ihn röntgen und auf HD begutachten lassen.
TEXT Dr. Claudia Veit FOTOS Wolfgang Jünkersfeld
WAS IST HD EIGENTLICH?
HD ist die Abkürzung für Hüftgelenksdysplasie. So wird eine krankhafte Fehlbildung des Hüftgelenks (Articulatio coxae) bezeichnet. Sie kann ein- oder beidseitig auftreten. Bemerkbar macht sie sich erst mit fortschreitender Entwicklung des Skeletts. Deshalb kann HD erst beim ausgewachsenen Hund zuverlässig diagnostiziert werden. Große Rassen sind stärker betroffen als kleine. Sie leiden häufiger darunter, und die Konsequenzen sind bei ihnen schlimmer. Einen 5kg-Hund kann man notfalls einfach herumtragen, wenn er nicht mehr laufen kann oder will. Wenn aber ein Bernhardiner von 80kg nicht mehr aufstehen kann, gestaltet sich die Sache erheblich schwieriger.
Man nimmt an, dass eine Vielzahl von Genen die Gesundheit oder Krankheit der Hüftgelenke bestimmen. HD ist also ein polygenetisches Merkmal. Je mehr „gesunde“ Erbanlagen ein Hund hat, umso besser bzw. funktionaler werden seine Hüftgelenke sein. Und je mehr „kranke“ Gene zusammentreffen, umso schlimmer fällt die Dysplasie aus.
Die Ausprägung der HD wird zusätzlich durch verschiedene Umwelteinflüsse modifiziert. Vor allem Übergewicht und Überbelastung wirken sich negativ aus.
Bei HD entwickelt sich die knöcherne Hüftgelenkspfanne (Acetabulum) nicht ausreichend tief. Normalerweise ist diese ähnlich geformt wie ein Eisportionierer aus der Eisdiele. Die halbkreisförmige Vertiefung sorgt zusammen mit der Gelenkkapsel, der Flüssigkeit innerhalb des Gelenkes (Synovia oder „Gelenkschmiere“) und dem umgebenden Gewebe (u.a. den Gelenkbändern) für einen guten Halt des kugeligen Oberschenkelkopfes. So ist eine buchstäblich reibungslose Beweglichkeit gegeben.
Der Oberschenkelkopf (Caput femoris) bildet sich bei HD nicht optimal kugelig aus. Er ist verformt, meist abgeflacht. Durch die resultierende Fehlbelastung nutzt sich der alle Gelenkflächen überziehende Knorpel ungleichmäßig ab. Er verschleißt vorzeitig. Die Folge sind schmerzhafte Arthrosen.
Wenn Hüftgelenkspfanne und Femurkopf nicht optimal zueinander passen, ist das Gelenk locker und instabil. Betroffene Hunde können nicht so kraftvoll laufen und springen wie gesunde Artgenossen. Sie sind weniger leistungsfähig, dadurch meist auch weniger leistungswillig und weniger ausdauernd. Ihnen fehlt Schub aus der Hinterhand. Sie ermüden schneller. Aufstehen und Niederlegen sind mühsam oder sogar schmerzhaft.
Arthrosen als eigentlich typische Alterserscheinung treten bei ihnen schon in jüngeren Jahren auf. HD kann so die Lebenserwartung drastisch verkürzen. Vor Erfindung verträglicher Schmerzmittel und Hüftprothesen für Hunde mussten schwer erkrankte Tiere oft schon im ersten Lebensjahr euthanasiert werden.
Hüftgelenksdysplasie ist eine Krankheit mit fließenden Übergängen. Diese gehen von einer absolut HD-freien, perfekt gestalteten, gesunden Hüfte bis hin zum massiv fehlgebildeten, dysfunktionalen, strenggenommen gar nicht mehr vorhandenen Gelenk. Die Diagnose wird anhand von standardisierten Röntgenbildern gestellt. Bei VDH-Zuchtvereinen erfolgt die Auswertung dieser Aufnahmen ausschließlich durch Gutachterinnen und
Gutachtern der GRSK (Gesellschaft für Röntgendiagnostik genetisch beeinflusster Skeletterkrankungen bei Kleintieren e.V.). Für die Hovawarte von RZV, HZD und HC ist Dr. Carsten Grußendorf zuständig.
Anhand bestimmter Kriterien wird ein Hüftgelenk einem von fünf festgelegten HD-Graden zugeordnet. Jede Stufe ist wiederum jeweils in eine bessere (1) und eine schlechtere (2) Variante unterteilt. Es gibt die HD-Grade „frei“ (A 1 und A2), „Übergangsform“ (B1 und B2), „leichte HD“ (C1 und C2), „mittlere HD“ (D1 und D2) sowie „schwere HD“ (E1 und E2). Dabei betrachtet man die Grade A und B als genetisch unbelastet (und damit zuchttauglich), während bei C bis E eine genetische Disposition für die Fehlbildung vorliegt. Letztere sind deshalb von der Zucht ausgeschlossen.
HD ist eine unheilbare Krankheit. Betroffenen Hunden hilft man durch Gewichtskontrolle, Physiotherapie, Muskeltraining, Ergänzungsfuttermittel mit
Glykosaminen und Chondroitin, Medikamente gegen die Schmerzen und Arthrosespritzen. In schweren Fällen kann eine künstliche Hüfte (TEP oder Totalendoprothese) nötig werden. Da eine Heilung nicht möglich ist, kommt der Vorbeugung eine besondere Bedeutung zu. Neben der optimalen Aufzucht des Welpen mit ausgewogener Fütterung und angepasster Bewegung hat die züchterische Selektion gegen HD die größte Bedeutung.
MASSNAHMEN GEGEN HD
Bereits Anfang der 1960er Jahre begann der RZV als einer der ersten Rassehundevereine mit der züchterischen Bekämpfung der Hüftgelenksdysplasie. Betroffene Hovawarte wurden von der Zucht ausgeschlossen. Sukzessive verschärfte der RZV die Zuchtauslese. Der Erfolg ist eindeutig: im Vergleich zu anderen Rassen, bei denen zwar ähnlich lange, aber weniger konsequent selektiert wurde (allen voran der Verein für Deutsche Schäferhunde als größter Zuchtverein im VDH), haben unsere Hovawarte sehr gesunde Hüftgelenke. Die Fälle von mittlerer oder schwerer HD liegen deutlich niedriger als bei anderen Hunden vergleichbarer Größe.
Die züchterische Bekämpfung der HD ist leider nicht ganz einfach. Je mehr Gene an der Ausprägung eines Merkmals beteiligt sind, umso schwieriger ist die Selektion. Die genaue Anzahl der an der Ausprägung der Hüftgelenke beteiligten Erbanlagen ist unbekannt. Man nimmt an, dass Summeneffekte bestehen (schädliche Gene addieren sich in ihrer Wirkung). Epigenetische Effekte (Gen-Umwelt-Einflüsse) sind höchstwahrscheinlich. Um die Sache noch komplizierter zu machen, kommen direkte und indirekte Umwelteinwirkungen als erschwerende Faktoren hinzu. Die sogenannte Zuchtwertschätzung hilft dabei, solche polygenetischen Merkmale züchterisch zu bearbeiten. Bei der HD wird deshalb nicht nur der HD-Grad des einzelnen (Zucht) Tieres, sondern auch der Hüftgelenksstatus von Eltern, Geschwistern, Nachkommen und anderen Verwandten berücksichtigt. Nach bestimmten Formeln wird eine Gewichtung nach Verwandtschaftsgrad vorgenommen; der HD-Befund der Eltern ist wichtiger bzw. aussagefähiger als der eines Urgroßneffen.
Ein Beispiel soll das verdeutlichen: die Hovawarte Anton und Berta sind beide HD-frei (A1-Hüften). Bei Anton sind auch beide Eltern, alle vier Großeltern und die sieben Geschwister alle HD-frei. Berta ist dagegen in ihrer Verwandtschaft die positive Ausnahme, ihre Eltern, Großeltern und sieben Geschwister haben alle den HD-Grad C (ein fiktives Beispiel, denn im RZV darf mit C-Hüften ja nicht gezüchtet werden). Antons Zuchtwert für HD ist erheblich besser als Bertas, obwohl beide denselben Hüftbefund haben. Zeugt Anton mit einer HD-A1-Hündin Nachkommen, werden wahrscheinlich alle Welpen HD frei sein (vor allem, wenn auch die Hündin einen hervorragenden Zuchtwert für HD hat). Bekommt Berta, die ja selbst A1-Hüften hat, einen Wurf von einem HD-A1-Rüden, sieht das anders aus. Bei ihr sind erheblich mehr ungünstige Gene zu vermuten, deswegen ist ja ihr berechneter Zuchtwert schlechter. Bei ihren acht Welpen ist also nicht damit zu rechnen, dass alle A1-Hüften entwickeln wie bei Anton.
WARUM SOLL ICH MEINEN HOVAWART HD-RÖNTGEN LASSEN?
Selbst wenn man nicht plant, mit seinem Hund zu züchten, sollte man ihn röntgen und auf HD begutachten lassen. Außer dem Grund, dass man das seinem Züchter beim Welpenverkauf versprochen oder sich sogar vertraglich verpflichtet hat, sprechen mehrere Dinge dafür:
Der egoistische Grund: es ist beruhigend zu wissen, dass der eigene Liebling gesund ist. Man darf seinen Hund sportlich belasten, ihn zu langen Radtouren mitnehmen, beim Ausritt am Pferd mitlaufen lassen, mit ihm Ball spielen etc.. Ein unbeschwertes, aktives Hundeleben liegt vor ihm. Und sollten seine Gelenke doch nicht optimal ausgeformt sein, kann man schon frühzeitig Maßnahmen ergreifen, die ein Fortschreiten der arthrotischen
Veränderungen verzögern. Eine stets schlanke Traumfigur, regelmäßige gelenkschonende Bewegung, optimale Ernährung und Vermeidung von Überlastung sind in solchen Fällen noch wichtiger als beim gelenkgesunden Hund.
Der altruistische Grund: wenn für einen Zuchtrüden oder eine Zuchthündin eine sogenannte Wiederfreigabe oder für eine bestimmte Paarung eine Wurfwiederholung beantragt wird, müssen je nach Fragestellung 50% bis 100% der Nachkommen auf HD geröntgt sein. Der HD-Befund des eigenen Hundes beeinflusst so ganz direkt den möglichen weiteren Zuchteinsatz seiner Eltern.
Der andere altruistische, langfristig aber doch egoistische Grund: der HD-Befund jedes einzelnen Hundes ist wichtig, um den Zuchtwert seiner Geschwister, Eltern, Onkel, Tanten, Nichten, Neffen etc. besser einzuschätzen. Auch wenn der eigene Hund selbst keine Welpen bekommt oder zeugt, beeinflusst sein Hüftergebnis die Zuchtauswahl aller seiner Verwandten. Je mehr HD-Befunde bekannt sind, umso besser wird diese Zuchtwertschätzung. Hunde haben im Vergleich zu anderen Tierarten wenige Nachkommen. Umso wichtiger ist es, von möglichst allen Individuen für die Zucht relevante Informationen zu erhalten.
Deshalb bittet Ihr Züchter Sie, den Welpen später wenigstens bei einer NZB (Nachzuchtbeurteilung) vorzustellen und ihn HD-Röntgen zu lassen. Am tollsten ist es natürlich, wenn auch der erwachsene Hund noch einmal bei einer JB (Jugendbeurteilung) und ZTP (Zuchttauglichkeitsprüfung) gezeigt wird. Der RZV möchte möglichst früh erkennen, ob züchterisch lenkende Maßnahmen notwendig sind.
Dazu muss man wissen, wie die Nachkommen der mit viel Herzblut und Hoffnung geplanten Verpaarungen sich entwickeln. HD-Befunde gehören dazu.
FAZIT
Das HD-Röntgen ist für Ihren eigenen Hund, aber ganz besonders für die Zukunft unserer Rasse wichtig.
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Beitrag eingestellt durch presse.olnds