Hilfe, es juckt !

Was tun gegen Juckreiz beim Hund ?

Juckreiz ist nicht nur für den sich ständig kratzenden, leckenden, knabbernden und sich schüttelnden Hund lästig, sondern auch für dessen Besitzer. Unter solchen Umständen kann der nicht mehr ungestört schlafen (jedenfalls, wenn der Hund seine Kratzattacken nachts auf dem Bettvorleger auslebt).


TEXT Dr. Claudia Veit FOTO RZV-Fotoarchiv

Nicht alles, was identische Symptome hervorruft, hat auch dieselbe Ursache. Die Haut hat nur wenige Möglichkeiten, auf Schädigungen oder Krankheiten zu reagieren: sie juckt oder wird rot oder pickelig oder wund oder krustig. Ganz verschiedene Ursachen können identische Hautbilder verursachen. Durch Lecken, Kratzen und Benagen schädigt der Hund seine Haut selbst noch zusätzlich. Offene Wunden und eitrige Entzündungen können die Folge sein.
Bei Juckreiz geht eine regelrechte Detektivarbeit los. Den Grund zu finden kann ein frustrierender Marathon sein. Man ist geradezu froh, wenn man „nur“ Flöhe findet! Diese Untermieter kann man nämlich sehr effizient bekämpfen und damit den gequälten Hund von seinem Juckreiz befreien. Andere Ursachen sind weitaus schwieriger zu ermitteln und leider auch nicht immer erfolgreich zu behandeln.

Flöhe

Flohbefall ist ein relativ banaler Grund für Juckreiz. Die Stiche selbst jucken, eine Flohspeichelallergie kann die Reaktionen dramatisch verstärken. Manche Hunde mit starkem Befall kratzen sich kaum, während andere sich nach einem einzigen Flohbiß tagelang malträtieren. Die Diagnose wird dadurch erschwert, dass Flöhe nur zur „Mahlzeit“ auf den Hund (oder die Katze, das Kaninchen, den Igel, die Ratte, den Menschen…) springen. Dort saugen sie nicht nur Blut, sondern übertragen möglicherweise auch Krankheiten (z.B. Bandwürmer, Hepatozoonose, im Mittelalter die gefürchtete Pest). Ihr Leben verbringen Flöhe vor allem in der Umgebung ihres Wirtes. Dort entwickeln sich ihre Eier über Larven und Puppen zu neuen Flöhen. Durch eine unter Umständen monatelange Larvenruhe tritt scheinbar immer wieder neuer Flohbefall auf.

Milbenbefall

Hunde können durch verschiedenste Milbenarten befallen werden. Nicht alle verursachen Juckreiz.
CHEYLETIELLA-MILBEN bewirken vor allem eine starke Schuppenbildung. Das Fell sieht aus wie mit weißlichen Kleieflocken bestreut. Es juckt nur mäßig oder gar nicht. Cheyletiellose gehört zu den Zoonosen, also zu den auf Menschen übertragbaren Krankheiten.
DEMODEX-MILBEN sind in geringer Zahl bei allen Hunden nachweisbar. Bei immungeschwächten Tieren vermehren sie sich stark. Dann bewirken sie Haarausfall und sehr starke Hautentzündungen. Lokale Formen an Pfoten oder Gesicht können meist erfolgreich behandelt werden. Schwere, generalisierte Formen breiten sich über den ganzen Körper aus. Sie verlaufen meist tödlich.
GRAB- ODER SARKOPTESMILBEN befallen bevorzugt Achseln, Bauch und Leiste. Diese sogenannte Fuchsräude oder Krätze verursacht fast immer sehr starken Juckreiz. Sie kann sich vom Bauch aus über den ganzen Körper ausbreiten. Die Haut ist gerötet, trocken und schuppig, wird aber möglicherweise auch wund. Zusätzliche bakterielle Besiedlung oder Pilzbefall kann das Krankheitsbild noch verstärken und verkomplizieren. Sarkoptesräude gehört zu den Zoonosen, ist also auf Menschen übertragbar.
OHRMILBEN kommen im Gegensatz zu Katzen bei Hunden nur selten vor. Verdächtige Symptome sind Kopfschiefhaltung, Ohrenschütteln und Kratzen an den Ohren. Typisch sind schwarz-krümelige, kaffeesatzartige Beläge in den Gehörgängen. Auch diese Milben sind Zoonoseerreger.
HERBSTGRASMILBEN (auch Erntemilben genannt) stellen in manchen Gegenden ab Spätsommer eine echte Plage dar. Diese mit bloßem Auge gerade noch erkennbaren, orange-rot gefärbten Plagegeister sitzen gern zwischen den Zehen, an Augenlidern und Ohrrändern. Eigentlich handelt es sich bei ihnen um Pflanzenparasiten, aber ein Entwicklungsstadium befällt auch Tiere und Menschen. Manche Patienten leiden unter quälendem Juckreiz. Sie kratzen und beißen sich dann wund, manchmal sogar blutig.

Mückenstiche

Vor allem im Sommer können Stiche diverser Mücken, Gnitzen oder Schnaken zu Juckreiz und Hautveränderungen führen. Außer dem (normalerweise unerheblichen) Blutverlust und den juckenden Stichen ist das größte Risiko für den Patienten die Übertragung von Infektionskrankheiten. So wird z.B. Leishmaniose durch den Stich von Schmetterlingsmücken (Phlebotomen) übertragen. Betroffen sind meist nicht oder spärlich behaarte Hautareale, z.B. Nasenrücken, Lefzen oder Augenlider.

Hautentzündungen

Alle Arten von Verletzungen der Haut können zu Juckreiz führen. Durch entzündliche Begleiterscheinungen der Heilphase besteht die Gefahr von Selbstverletzungen. Nach Operationen werden Wunden deshalb durch Halskrägen oder mit Verbänden, Bodys oder Hundeschuhen geschützt. Hautentzündungen ohne vorangegangene Verletzung können vielfältige Ursachen haben, von Parasitenbefall bis zu internistischen Problemen. Hautentzündungen und Juckreiz nur an den Pfoten wird oft durch Allergien ausgelöst. Zusätzliche Besiedlungen mit Bakterien oder Hefepilzen verkomplizieren ursprünglich nicht-juckende Hautkrankheiten und führen oft zu Belecken, Beknabbern und Kratzen.

Analdrüsenverstopfung

Verstopfte, entzündete Analbeutel können zu Juckreiz am ganzen Körper führen. Manche Hunde jucken sich lediglich am After. Dann zeigen sie z.B. sogenanntes „Schlittenfahren“ und rutschen mit dem Po über den Boden. Andere entwickeln lokalen Juckreiz und nässende Ekzeme. Solche „Hot Spots“ entstehen vor allem an der Kruppe oder im Gesicht, manchmal auch an anderen Stellen. Die Haut wird rot, wund und nässt.

Gehörgangsentzündung

Entzündete Ohren können Schmerzen und quälenden Juckreiz verursachen. Der beschränkt sich nicht immer nur auf die Ohren. Ohrenschütteln, Kopfschiefhaltung und Bekratzen von Hals, Kopf und Ohren sind typische Symptome. Die möglichen Ursachen sind zahlreich: ein Befall mit Ohrmilben, eine bakterien- oder hefebedingte Gehörgangsentzündung, eine Mittelohrentzündung, im Sommer und Herbst auch eine ins Ohr gefallene Granne (Getreidespelz) oder, zunehmend häufig, eine Allergie. Vor allem Futtermittelallergien lösen oft chronisch-rezidivierende Gehörgangsentzündungen aus, die häufig sogar nur einseitig auftreten.

Nährstoffmangel

Eine ausgewogen zusammengesetzte, art- und altersgerechte Fütterung ist nicht nur für gesunde Haut enorm wichtig. Besonders essenzielle Fettsäuren, Biotin (das Hautvitamin „Vitamin H“), Zink, Vitamin A und Eiweiß tragen zu gesunder Haut und schönem, glänzendem Fell bei. Juckreizlindernde mehrfach ungesättigte Fettsäuren stammen grundsätzlich aus Pflanzenölen. Besonders hochwertig sind Borretschöl, Leinsamenöl, Nachtkerzenöl, Hanföl, Rapsöl und Walnußöl. Das momentan so moderne Kokosöl ist dagegen als gesättigte Fettsäure ernährungsphysiologisch relativ wertlos. Omega-3-Fettsäuren aus Fischöl wirken entzündungshemmend.

Hypothyreose

Zu den bekannten Symptomen der Schilddrüsenunterfunktion gehören Fellveränderungen und Haarausfall. Normalerweise juckt das nicht. Vor allem bei Sekundärinfektionen der Haut mit Bakterien und/oder Pilzen ist Juckreiz möglich.

Sebadenitis

Bei der vermutlich erblich bedingten Sebadenitis zerstört eine Entzündung die Talgdrüsen der Haut. Haarausfall, Hauttrockenheit, Schuppen und Hautreizungen sind die Folge. Juckreiz tritt in der Regel erst durch Sekundärbesiedlung mit Keimen auf. Wie in der Humanmedizin werden auch in der Tiermedizin immer mehr Allergien beobachtet. Solche übersteigerten Immunreaktionen richten sich gegen den eigenen Körper.

Allergien

FUTTERMITTELALLERGIEN richten sich meistens gegen Eiweiße in der Nahrung. Besonders oft werden Rind, Milchprodukte, Schaf, Lamm, Huhn und Hühnerei nicht vertragen. Zu den häufigsten Symptomen gehören Juckreiz, aber auch Durchfall, Erbrechen, Bauchweh, Haarausfall, Hautentzündungen, Belecken und Benagen vor allem der Pfoten sowie immer wieder aufflackernde Ohrenentzündungen.
KONTAKTALLERGIEN treten an den Hautarealen auf, die direkten Kontakt zum auslösenden Allergen haben. Nickel- oder „Modeschmuckallergien“ richten sich gegen Metallteile in Kettenhalsbändern, Schnallen von Leder- oder Nylonhalsbändern oder Druckknöpfen von Hundemänteln. Auch Gerbstoffe (z.B. in Lederhalsbändern oder lederbezogenen Hundebetten), Putzmittel oder Chemikalien (z.B. in Textilien, Teppichböden und Leder) können Juckreiz und Hautveränderungen verursachen.
ATOPIEN sind allergische Reaktionen auf Umweltallergene, überwiegend eingeatmete Stoffe. Wie bei Menschen mit Heuschnupfen sind meist Pflanzenpollen der Auslöser. Neben tränenden Augen und Atemwegssymptomen leiden betroffene Hunde möglicherweise unter Juckreiz, Hautentzündungen und Benagen der Pfoten. Allergische Reaktionen können auch durch Medikamentengaben hervorgerufen werden. Dann treten Juckreiz, Durchfall, Ausschlag oder Schwellungen auf, vor allem im Kopfbereich, auf. Glücklicherweise ist das aber sehr selten.

Und was tun gegen Juckreiz?

Grundsätzlich muss man die Ursache für den Juckreiz so schnell wie möglich abstellen. Bis das gelingt – wenn es überhaupt möglich ist – kann allerdings einige Zeit vergehen. So lange kann man seinem Hund schon Linderung verschaffen.
Essentielle Fettsäuren können als Futterzusätze und als auf die Haut aufzutragende Präparate die Hautfeuchtigkeit verbessern und Juckreiz lindern. Entzündungshemmendes Fischöl (mit DHA = Dokosahexaensäure und EPA = Eikosapentaensäure) kann den Effekt verstärken. Hautberuhigende, juckreizreduzierende und kühlende Lotionen, Sprays und Shampoos mit diversen Wirkstoffkombinationen unterstützen Behandlungen gegen Hautirritationen und Juckreiz.

Antihistaminika wirken bei Hunden oft nur unbefriedigend und zu kurz. Bei bestimmten allergischen Reaktionen oder als unterstützende Maßnahmen können sie dennoch sinnvoll sein. Tabletten mit dem Wirkstoff Oclatinib wirken juckreizstillend. Beispielsweise können sie bei Allergien die Zeit überbrücken, bis eine Desensibilisierung greift. Monatliche Spritzen mit einem monoklonalen Antikörper gegen juckreizauslösende Botenstoffe verhindern die klinischen Beschwerden bei atopischer Dermatitis.

Cortison ist äußerst effizient in der Behandlung von Juckreiz, Entzündungen und Allergien. Meist wird ein kurz wirksames Cortison wie Prednisolon verabreicht, aber auch Dexamethason und Triamcinolon können eingesetzt werden. Cortison verändert Blutwerte und beeinträchtigt die Aussage diagnostischer Tests (z.B. Biopsien, Allergietest, Pricktests). Es sollte möglichst erst nach der Entnahme notwendiger Proben zur Untersuchung gegeben werden. Es gibt weitere mögliche Nebenwirkungen von Cortison wie verstärkter Durst, verstärkter Hunger, verstärkter Harndrang bis zur Stubenunreinheit, Beeinträchtigung des Immunsystems und Erhöhung des Diabetesrisikos. Ciclosporin entfaltet eine cortisonähnliche Wirkung. Im Vergleich zu Cortison hat es weniger Nebenwirkungen. Dafür ist es sehr teuer.

Selbst wenn man weder Flöhe noch Flohkot am Hund gefunden hat, ist eine Parasitenbehandlung bei Juckreiz immer empfehlenswert. Zu leicht wird ein geringer Flohbefall übersehen, der durchaus starken und anhaltenden Juckreiz verursachen kann.

Ich bevorzuge monatlich zu verabreichende Tabletten mit einem Wirkstoff aus der Klasse der Isoxazoline. Damit werden gut verträglich und trotzdem sehr zuverlässig Flöhe, Milben und Zecken bekämpft. Das von mir favorisierte Präparat ist zwar zur leichteren Eingabe aromatisiert, aber frei von Allergenen. Andere Tabletten (z.B. mit Nitenpyram) wirken ausschließlich gegen Flöhe. Die werden in besonders kurzer Zeit abgetötet.
Permethrinhaltige SpotOns und deltamethrin- oder flumethrinhaltige Halsbänder sind gute Floh-, Zecken- und Mückenmittel. Allerdings befindet sich der Wirkstoff äußerlich, im Fell und auf der Haut. Katzen dürfen deshalb keinen Kontakt zu derartig behandelten Hunden haben. Halsbänder müssen ununterbrochen getragen werden, um ihre Wirkung zu entfalten. Still im Hundekorb liegend funktionieren sie nicht. Die Mittel sind fischgiftig, vor dem Baden bzw. Schwimmen müssen Halsbänder entfernt werden.

Definitiv nicht wirksam sind Knoblauch, Kokosöl (weder innerlich noch äußerlich), Neem- oder Teebaumöl, Bernsteinketten, Magnethalsbänder oder andere „alternative“ Verfahren. Bei Verdacht auf Futtermittelallergien führt ausschließlich eine Ausschlußdiät zur Diagnose. Dazu füttert man eine einzige Proteinquelle (z.B. ausschließlich Pferd oder Kaninchen oder Weißfisch oder eine andere, ungewöhnliche Eiweißquelle) und eine einzige Kohlenhydratquelle (z.B. Süßkartoffel oder Quinoa oder Kartoffeln). Innerhalb von drei Monaten erwartet man zumindest eine Besserung der Symptome. Dann wird alle zwei Wochen ein zusätzliches Futtermittel eingeführt. Treten nach einem neuen Lebensmittel wieder Symptome auf (Juckreiz, Durchfall o.ä.) ist der Allergieauslöser identifiziert. Nach dieser Provokationsprobe ist die Diagnose eindeutig. Dann führt nur die konsequente Vermeidung des allergieauslösenden Futters zur Heilung. Allergiediät kann sogar allergische Reaktionen aufgrund anderer Ursachen verringern. Als Grund dafür nimmt man an, dass es so etwas wie eine „Juckreizschwelle“ gibt. Hypoallergene Ernährung lindert dann den Juckreiz, indem die Gesamtbelastung des Körpers wieder unter diese Schwelle sinkt.

Kontaktallergien vermeidet man, indem man das allergieauslösende Material aus der Umgebung des Hundes entfernt. Darum werden Kettenhalsbänder aus Metall oder gegerbte Lederhalsbänder durch Kunststoffhalsbänder mit Kunststoffverschlüssen ersetzt. Die Metallringe zum Einhängen der Leine dürfen keinen direkten Kontakt zum Hund haben. Notfalls klebt man die Innenseite des Halsbands mit synthetischem Filz oder Moosgummi ab. Wasch- und Putzmittel werden gegen hypoallergene, parfumfreie Produkte ersetzt. Bei Umwelt- und Pollenallergien kann eine Desensibilisierung zur Besserung oder zum Verschwinden der Symptome führen. Diese Therapie muss über einen längeren Zeitraum durchgeführt werden, oft über mehrere Jahre oder sogar lebenslang. Medikamentenallergien können logischerweise nur durch Vermeiden des auslösenden Präparates verhindert werden. Ob der Wirkstoff selbst oder die unvermeidlichen Begleitstoffe (Tabletten-Trägersubstanz, Lösungsmittel, Salbengrundlage etc.) die Allergie verursacht, weiß man oft nicht.


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