Kein Hund für Jedermann?

(K)ein Rasseportrait

Als wir uns vor einigen Jahren einen Hund anschaffen wollten, richtete sich unser Interesse auf einen Hovawart. Im Ort hatten Bekannte eine Hovawarthündin, die uns rein optisch ausgesprochen gut gefiel. Da man sich, bevor man einen Hund anschafft, über die Rassemerkmale informieren soll, haben wir das auch getan.


TEXT Kerstin Tiemann FOTOS Kerstin Tiemann, Uschi Messer, Helga Jünkersfeld

In (beinahe) allen Rasseportraits habe ich gelesen, der Hovawart sei „kein Hund für Jedermann“. Er sei nicht leicht zu erziehen und stelle besondere Anforderungen an seine Besitzer. Problem:
1. Ich bin kein besonderer Besitzer.
2. Ich wünsche mir einen Hund. – Einen Hund, der nicht nur schön ist.

Ich habe Vorstellungen, was ich mit meinem Hund tun möchte und vor allem weiß ich, welche Eigenschaften ich mir von meinem Hund wünsche und welche nicht. Aber sind diese Eigenschaften wirklich ausschließlich rassebedingt? Gibt es eine Garantie, dass ein Hund so ist, wie im Rasseportrait beschrieben? Werden die positiven Eigenschaften den Hunden in die Wurfkiste gelegt, oder sind wir Hundeleute nicht der maßgebliche Faktor für eine gegenseitige Liebe und Vertrauen über ein ganzes Hundeleben lang?

Wer ist eigentlich „Jedermann“? Und von welcher Rasse ist sein Hund?
Die Eigenschaften, die ich mir von meinem zukünftigen Hund wünschte, passten zu 100 % auf den Hovawart. Ein Hovawart ist wachsam, ohne ein Kläffer zu sein, er ist ruhig im Hause und draußen agil. Er eignet sich für beinahe jede Art der Ausbildung, ist sportlich, hat eine hervorragende Nase, ist intelligent und kreativ. Hovawarte sind familientauglich und Hovawarte haben Beschützerinstinkt. Dazu sollte unser Hund selbstverständlich auch ein bestimmtes Aussehen haben (hoher Kuschelfaktor war angesagt) und von stattlicher Größe sein. Pflegeleichtes Fell sollte mein Hund haben – Frisör bitte nicht auch noch für den Hund. Aber: Hovawarte sind nichts für „Jedermann“.
HD war bei unserer Labrador-Hündin leider ein Thema, weswegen ihr ausgiebigere Spaziergänge am Folgetag zu schaffen machten. Hovawarte sind – wenn sie aus einem Zuchtverein wie zum Beispiel dem RZV kommen – von wahrscheinlich guter Gesundheit. Erbliche Krankheiten, die man bei anderen Rassen häufiger liest, kommen beim Hovawart auch vor, sind aber sehr selten. Aber: Ein Hovawart ist nichts für „Jedermann“.
Hovawarte sind ausgesprochen schön. Wer einen ausgewachsenen Hovawart zum Beispiel athletisch durch den Schnee laufen sieht, dem treibt es bei entsprechender Veranlagung die Freudentränen in die Augen!

Alternative gesucht! – Vorab: Es gibt keine!
Blonde Hovawarte werden auf den ersten Blick oft mit Golden Retrievern verwechselt, schwarze Hovawarte sehen Flat Coated Retrievern angeblich ähnlich. Schwarzmarken gefiel mir einst am besten. Dafür gibt’s kein Pendant – schon gar nicht für „Jedermann“.

Der Hund ist ideal! Das Problem bin ich, denn ich bin ein „Jedermann“.
Welchen Hund ich mir als „Jedermann“ jetzt genau anschaffen sollte, das habe ich nirgendwo lesen können. Beim Retriever fehlt mir der Beschützerinstinkt und die Wachsamkeit. Ein Hund, der einem Einbrecher hinterherträgt, was der vielleicht vergessen hat, den muss ich nicht haben. Ein Schäferhund hat Beschützerinstinkt, aber dieser Rasse sagte man große gesundheitliche Probleme nach. Schäferhunde sind leichter ausbildbar, so sagt man, aber sie binden sich auch sehr stark an eine Person und akzeptieren im schlimmsten Fall den Rest der Familie als notwendiges Übel. Man sagt, der Schäferhund würde die Kommandos seines Besitzers, ohne zu zögern ausführen. Das heißt dann „Kadavergehorsam“. Das will ich nicht.

Treffen sich ein Retriever, ein Schäferhund und ein Hovawart.
Sagt der Retriever: „Mich hat Gott zum lustigsten und beliebtesten Hund der Menschen gemacht.“
Darauf antwortet der Schäferhund: „Na und? Mich hat Gott zum klügsten und fleißigsten Hund gemacht“.
Der Hovawart hebt erstaunt die Brauen und sagt: „Leute, was soll ICH gemacht haben?“

Malinois oder auch belgische Schäferhunde eignen sich sehr gut für den Hundesport. Bestimmt sind sie tolle Hunde – aber wer gräbt seine Nase schon gern in das Fell eines Malinois? So weit oben auf meiner Wunschliste stand der Hundesport nun auch wieder nicht, dass ich deswegen optische Abstriche machen wollte. Außerdem beschrieb ein bekannter Polizeihundetrainer Malinois mit den Worten: „Extrem schnell extrem sauer!“ – Glücklicherweise auch nix für „Jedermann“.
Rottweiler, Boxer, Schnauzer, Dobermann – auch nix für „Jedermann“. Und noch dazu rein optisch ja auch gar nicht mit einem Hovawart zu vergleichen. Nun ist das schnell gesagt „kein Hund für „Jedermann““ und vermutlich denken jede Menge „Jedermänner“ jeden Tag beim Lesen von Hovawart – Rasseportraits „ach nö – dann lasse ich das mit dem Hovawart!“ Vor allem dann, wenn „Jedermann“ sich sorgfältig informiert.

Sogar angesagte Hundezeitschriften schreiben voneinander ab und übernehmen Inhalte, ohne je einen Hovawart gekannt zu haben. Im Fall eines großen österreichischen Magazins, dessen Titel aus vier Versalien besteht, verfasste eine Dame ein Rasseportrait, die eingangs zugibt, die Rasse nicht zu mögen, weil sie mal unangenehme Erfahrung mit einem „bösen“ Vertreter der Rasse gemacht hat. Hallo? Ich kenne auch böse Österreicher (einer war ja ganz besonders übel). Was sagt uns das? Traue keinem Druckerzeugnis, wenn sein Titel aus vier Großbuchstaben besteht! – Wäre immerhin ein Ansatz.

Was nun? Lieber ein „Retter“ sein?
In meinem Elend als „Jedermann“ hatte ich bei der Suche nach einem Hund für „Jedermann“ bereits die Internetseiten umliegender Tierheime durchsucht. Aber entweder waren sie aufgrund ihrer Vorgeschichte auch nichts für „Jedermann“ oder der Funke sprang nicht über. Über den „Auslandstierschutz“ gab es jede Menge Hunde aller Größen. Die sind was für „Jedermann“. Alle ausnahmslos süß, lieb und dankbar. Das gute Gefühl einen Hund gerettet zu haben, verliert sich erst, wenn „Jedermann“ mit einem ängstlichen, verstörten, nicht sozialisierten Hund an seine Grenzen stößt.
Nun hätte ich mich nicht hingesetzt und diesen Text geschrieben, wenn nicht doch ein Hovawart bei uns eingezogen wäre und ich nicht wüsste, wie Hovawarte so ticken und was es so auf sich hat mit der Rasse. Inzwischen habe ich zwei. Wenn ich könnte, hätte ich zehn oder am liebsten gleich alle.
Unser erster Hund war die bereits erwähnte Labrador-Hündin. Nach ihrem frühen Tod wollte ich keinen Labrador mehr. Die RZV-Züchterin unserer daraufhin erworbenen Hovawart-Hündin gab uns die Möglichkeit, ihre Hovawarte kennenzulernen und wir waren sofort schwer verliebt. Sie waren bildschön, sehr souverän und hatten eine Ausstrahlung, eine Präsenz, die wir so noch nie bei Hunden erlebt und auch nicht erwartet hatten.
Als wir unser Hovi-Mädel abholten, zeigte sie sofort Charakter. Ja, sie war und ist bis heute komplett anders als unsere Labrador-Hündin. Wahrscheinlich sind auch nicht alle Labradore gleich – ebenso, wie nicht alle Hovawarte gleich sind. Unsere kleine Teufelsbraut hat uns ziemlich schnell gezeigt, dass sie die Weltherrschaft zu übernehmen bereit ist. Und sie hat ihren Anspruch aufgegeben, als sie uns glaubte, dass sie das gar nicht muss. Nicht jeder Hovawart kommt aus gutem Haus. Immerhin ist der Rasse die „Massenproduktion“ von Welpen bisher erspart geblieben.
– Der „schwierige“ Ruf hat auch Vorteile. Es gibt Hovawarte aus kritischer Herkunft. Sorgfältige Verpaarung, Gesundheits- und Wesensüberprüfungen finden bei „wilden“ Züchtern eher nicht statt und wenn Mama und Papa der Welpen im gleichen Hause wohnen, sollten Welpeninteressenten diesem Umstand nicht nur Positives abgewinnen.

Hundehalter und Hundeführer
Ohne Frage ist mancher Mensch nicht für den Hovawart geeignet. Jemand, der einen Hund nur möchte, damit er nicht alleine auf der Couch rumliegen muss, ist mit einem Hovawart nicht gut beraten. – Obwohl Hovawarte natürlich auch gerne mal auf dem Sofa liegen – oder im Bett. Auch Menschen, die keine Lust haben, einen Hund zu erziehen, sollten besser nicht bei Hovawart-Züchtern vorsprechen. Manche Menschen sollten gar keinen Hund haben – und haben sie einen, ist es besser, wenn der Hund eher ein Hundchen ist. Kleine und unerzogene Hunde sind unangenehm. Ein unerzogener Hovawart, der selbst entscheidet, wäre ein ernsthaftes Problem.

Wie ist er nun, der Hovawart?
Hovawarte werden nicht erwachsen, sie werden nur groß. Naja, irgendwann werden sie erwachsen, aber es dauert. Das ist schön. Hovawarte sind fast immer intelligent. (Auch die Blonden*!) Sie sind sensibel. Das heißt nicht, dass sie Weicheier sind. Sie merken einfach sehr schnell, ob der Mensch meint, was er sagt und ob der Mensch seinen Hund so gut versteht, wie der Hund seinen Menschen. Ein Wort wird zur Ansage nicht durch die Lautstärke, mit der es gesprochen wird. Pures Getöse durchschaut ein Hovawart. Ernsthaftigkeit und Klarheit brauchen keine Lautsprecher. Sind Menschen nicht in der Lage, ihren Worten Gehalt zu geben, sollten sie es lernen wollen und lernen können. Intelligente Hunde wollen beschäftigt werden. Sie wollen nicht nur gehalten werden, sondern sie wollen und sollten geführt werden. Nicht umsonst spricht man im Sport von Hundeführern und bei ernsthafter Arbeit mit einem Hund von einem Diensthundeführer. Hovawarte können beharrlich sein (positiv bewertet) – oder stur. Hovawarte sind aufmerksam und im besten Sinne des Wortes neugierig. Ein typischer Hovawart wird sich erst umschauen, wenn er gerufen wurde und dann kommen. Wahrscheinlich.

Blinder Gehorsam ist von Hovawarten nicht zu erwarten. Aber ein eigener Wille. Umso schöner, wenn der Hovawart dann einschätzt, dass von seinem Menschen gerufen zu werden, doch wichtiger ist als die Ente im Teich (die inzwischen sowieso weg ist).

Lernen Sie Hovawarte kennen. Sie müssen kein Hundeflüsterer sein. Sie können ein „Jedermann“ sein, wie wir. Wenn Sie sich einlassen wollen auf die beste Rasse der Welt, dann lassen Sie sich nicht entmutigen von Leuten, die „Hovis“ nicht kennen, nicht mögen oder nicht verstehen. Eine Warnung aber doch noch vorab: Hovawarte sind hoch ansteckend. Sie tragen das Hovawart-Virus in sich. Die Hovi-Manie ist nicht heilbar und bedeutet für alle Infizierten:

Einmal Hovawart – immer Hovawart!


Beitrag eingestellt durch presse.olnds

Süße Hovawart Hunde