Krebs beim Hund …
… kann durchaus erfolgreich behandelt werden
TEXT Dr. Claudia Veit FOTOS RZV-Fotoarchiv
Beim Menschen ist Krebs mittlerweile die zweithäufigste Todesursache. Und seit unsere Haustiere immer älter werden (immerhin hat sich die Lebenserwartung von Hunden von 1970 bis heute verdoppelt!), treten auch bei ihnen zunehmend Tumorerkrankungen auf. Unsere Hovawarte haben trotz ihrer Größe eine vergleichsweise hohe Lebenserwartung. Zwangsläufig gibt es deshalb bei Ihnen auch immer mal wieder Krebsfälle, denn das Krebsrisiko nimmt mit zunehmendem Alter zu.
Tumor = Krebs?
Alle Gewebezubildungen bzw. -neubildungen heißen im medizinischen Fachjargon lateinisch „Tumor“ oder griechisch „Neoplasie“. Diese Worte sagen allerdings nichts über die Art des Knotens, derBeule, des Knubbels, der Neubildung, des Geschwürs, der Masse aus. Tumore können gutartig (= benigne) sein, aber auch bösartig (= maligne). Gutartige Tumore sind harmlos. Sie breiten sich nicht oder nur langsam aus und streuen nicht in die Umgebung. Bösartige Tumore wachsen schnell, verwachsen mit der Umgebung und bilden Tochtergeschwulste. Zur Unterscheidung ist eine patho-histologische Untersuchung des Tumorgewebes erforderlich.
Primärtumore sind der zuerst entstandene Krebs. Wenn dieser Primärtumor streut, entstehen Tochtergeschwüre (= Metastasen). Als Rezidiv bezeichnet man einen nachgewachsenen Tumor, der bereits entfernt wurde.
Ursachen
Krebs entsteht, wenn im Körper die normale Zellvermehrung und der geordnete Zelltod unreguliert aus dem Ruder laufen. Die unkontrollierte Zellvermehrung führt zu Gewebezubildungen, die sich irgendwann bemerkbar machen. Meist entstehen knotenartige Zubildungen, aber auch diffuse Krankheitsbilder sind möglich, z.B. Blutkrebs. Die Ursachen für Krebs sind vielfältig. Oft kann man einen konkreten Auslöser nicht feststellen. Zunehmendes Alter erhöht das Risiko für tumoröse Entartungen, obwohl manche Tumore auch oder besonders bei jüngeren Patienten vorkommen. Schädliche Umwelteinflüsse und Kontakt zu krebserregenden Substanzen können bösartige Tumorerkrankungen hervorrufen. Vom Menschen weiß man, dass Alkohol und Nikotin das Krebsrisiko erhöhen. Zwar dürften die wenigsten Hunde nennenswerte Menge alkoholischer Getränke zu sich nehmen, aber Passivrauchen und abgasgeschwängerte Großstadtluft spielen eine Rolle. Auch Weichmacher aus Plastik, Hormone und hormonähnliche Substanzen, Röntgenstrahlen etc. stellen Risikofaktoren dar. Einige Krebsarten werden durch Viren hervorgerufen und sind entsprechend ansteckend.
Beim Menschen gilt das z.B. für Gebärmutterhalskrebs, gegen den man inzwischen impfen kann. Eine bewährte Impfung schützt Katzen vor Blutkrebs durch das Feline Leukosevirus. Hunde können sich beim Geschlechtsakt mit dem Stickersarkom infizieren.
Dieser venerische Tumor kommt vor allem in Südeuropa vor. Durch Schmierinfektionen ist er auch auf Menschen übertragbar. Infektiöser Krebs kann auch durch Parasiten ausgelöst werden. Ein in der Speiseröhre von Hunden lebender Wurm (Spirocerca lupi) verursacht zunächst gutartige Bindegewebsknötchen, die dann zu bösartigem Ösophaguskrebs entarten können. Bestimmte Magenbakterien (Helicobacter pylori) stehen bei Mensch und Hund unter Verdacht, an der Entwicklung von Magenkrebs beteiligt zu sein.
Auch chronische Entzündungen und dauerhaft im Körper befindliches Fremdmaterial (z.B. Implantate nach Knochenbrüchen) können zu bösartigen Gewebsentartungen führen. Bei der Krebsentstehung können auch erbliche Einflüsse eine Rolle spielen. Familiär gehäufte Krebsfälle gibt es bei Menschen und Tieren. Einige Hunderassen gelten als besonders anfällig. Bei schwarzen Riesenschnauzern treten gehäuft Plattenepithelkarzinome an den Pfoten auf, Golden Retriever und Boxer neigen zu Mastzellentumoren und alle große Rassen haben ein höheres Knochenkrebsrisiko als kleine.
Übergewicht erhöht das Krebsrisiko. Da mittlerweile rund die Hälfte aller Hunde zu viel wiegen, spielt das eine zunehmende Rolle. Leider wollen viele Tierbesitzer nicht wahrhaben, wie dramatisch die Folgen der vom Fell getarnten Speckröllchen tatsächlich sind.
Verbreitung
Beim Menschen ist in Deutschland Krebs die zweithäufigste Todesursache nach Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Bei Hunden geht man davon aus, dass jeder vierte Hund im Laufe seines Lebens eine Krebserkrankung entwickelt. Jeder zweite Hund über einem Alter von 10 Jahren stirbt daran.
Vorbeugung
Eine gesunde Aufzucht und Ernährung sollte ebenso selbstverständlich sein wie ausreichend körperliche Bewegung an der frischen Luft und eine schlanke Figur. Übergewicht erhöht nicht nur das Risiko für Arthrose und metabolische Erkrankungen, sondern auch für Krebs. Hunde sollten – wie Menschen – keinen Substanzen ausgesetzt werden, die Krebs fördern können. Beispielsweise stehen Weichmacher aus Kunststoffen im Verdacht, hormonelle und krebsfördernde Wirkungen zu entfalten. Wer auf Nummer Sicher gehen will, verwendet daher Futtergeschirre, Wassernäpfe und Wasserflaschen für unterwegs bevorzugt aus Edelstahl, emailliertem Metall, Keramik, Steingut oder Glas und nicht aus Plastik.
Behandlungen mit Hormonen erhöhen das Risiko für Brustkrebs und Gebärmuttererkrankungen. Auf Läufigkeitsunterbrechungen oder -verschiebungen sollte deshalb möglichst verzichtet werden. Keine Ausstellung oder Prüfung ist so wichtig, dass man dafür die Gesundheit seiner Hündin riskiert! (Abgesehen davon, dass ich einmal erlebt habe, dass die „abgespritzte“ Hündin nie wieder läufig wurde!) Wenn möglich und sinnvoll, berücksichtigt man bei der Zucht relevante Krebsfälle der Hundeverwandtschaft. Wobei ein Gesäugetumor bei einer 14-jährigen Hovawarthündin natürlich anders zu beurteilen ist als Knochenkrebs bei einem vierjährigen Hund.
Diagnose
Tumore in oder unter der Haut werden möglicherweise beim Streicheln oder bei der Fellpflege entdeckt. Auch Veränderungen der Milchdrüsen, der Hoden und der oberflächlichen Lymphknoten sind zu ertasten. Das Aufspüren von Tumoren der inneren Organe erfordert bildgebende Verfahren (Röntgen, CT, Ultraschall, MRT, Szintigraphie) und gezielte Biopsien. Um herauszufinden, ob die Veränderung gutartig oder bösartig ist, ist die patho-histologische Untersuchung der Gewebeproben unersetzlich. Dazu führt man Biopsien durch oder entfernt gleich, falls möglich, den ganzen Tumor.
Nach der Diagnose ist man entweder erleichtert, dass die Sache doch harmloser war als befürchtet. Oder man muss den Schicksalsschlag einer Krebsdiagnose akzeptieren und sich mit Therapiemöglichkeiten auseinandersetzen. Da es in der Tiermedizin keine aussagekräftigen Tumormarker gibt, sind Blutuntersuchungen weniger zur Diagnose (außer bei manchen Formen von Blutkrebs) als vielmehr zur besseren Einschätzung von Narkosefähigkeit und Prognose geeignet.
Verlauf
Je nachdem, welches Organ betroffen ist und wie schnell der Tumor wächst, kann er sehr lange unbemerkt bleiben. Selbst Schmerzen treten nicht unbedingt auf, zumindest nicht im Anfangsstadium. (Sonst würde Brustkrebs bei Menschen ja auch viel früher entdeckt.)
Gesäugetumore
Bei unkastrierten Hündinnen stellen Gesäugetumore die häufigste Krebsart dar. Ab dem 4. Lebensjahr steigt das Risiko deutlich. (Zeitpunkt und Anzahl von Trächtigkeiten spielen übrigens, anders als beim Menschen, keine Rolle.) Knoten in der Milchleiste haben anfangs ein 50:50-Risiko dafür, bösartig zu sein. Man sollte deshalb zur Früherkennung bei jeder Hündin regelmäßig das gesamte Gesäuge abtasten.
Hormonabhängige Tumore wachsen bei jeder Läufigkeit. Zu Beginn sind die Tumore oft nur hirsekorngroß und noch einfach vollständig entfernbar. Außerdem ist anfangs das Risiko für Metastasen in der Lunge oder anderen Organen gering. Vor der Operation kann durch eine sogenannte Feinnadelbiopsie versucht werden, die Art des Tumors zu diagnostizieren.
Allerdings kommen am Gesäuge immer wieder Mischtumore vor. Die Probenentnahme mit einer Hohlnadel muss also nicht zwangsläufig die korrekte Diagnose ergeben (probieren Sie mal, beim Stich in einen Apfel genau die Kerne zu treffen!) Es gibt unterschiedliche Operationsverfahren bei Brustkrebs. Im einfachsten Fall wird lediglich der betroffene Gesäugekomplex entfernt (das heißt: eine komplette Brustdrüse mit der bedeckenden Haut und der dazugehörenden Zitze). Je nach Krebsrisiko und Tumorgröße ist es sicherer, mehrere benachbarte Mammakomplexe oder die gesamte Gesäugeleiste (also alle Drüsenkomplexe einer Körperhälfte samt Haut und Zitzen) zu entfernen.
Übrigens sollten Rüdenbesitzer sich nicht allzu sicher fühlen. Brustkrebs kommt beim männlichen Hund zwar sehr, sehr selten vor, ist aber möglich.
Knochenkrebs
Neben Knochenmetastasen anderer Tumore kommen im Skelett auch primäre Tumore vor. Am häufigsten tritt beim Hund das Osteosarkom auf. Große Rassen sind im Vergleich zu kleineren Hunden häufiger betroffen (29% aller Patienten wiegen über 40kg, 5% unter 15kg.) Ältere Hunde erkranken häufiger, aber Osteosarkome können sogar bei jungen Hunden vorkommen.
Meistens sind die Gliedmaßenknochen betroffen, die Vorderbeine häufiger als die Hintergliedmaßen. Um einen Knochentumor komplett zu entfernen, ist die Amputation unumgänglich. Eine anschließende Chemotherapie verbessert die Überlebenszeiten nachweislich.
Therapie
Krebs kann durch Chirurgie, Bestrahlung, Medikamente oder verschiedene Kombinationen davon behandelt werden. Die Therapiemöglichkeiten haben sich heutzutage durch spezifischere Medikamente, zielgenauere Strahlen, moderne immunologische Präparate, gezielte Kälte- oder Wärmetherapie und andere neue Verfahren deutlich verbessert. Zusätzlich gibt es eine Vielzahl sogenannter „alternativer Heilverfahren“, die allerdings umstritten sind. Wirkungsvolle Behandlungsmethoden können sie keinesfalls ersetzen.
Es gibt Tumorarten, Lokalisationen oder Ausdehnungen, die eine Heilung nicht mehr zulassen. Manchmal sind selbst dann noch durch Bestrahlungen oder gezielte Medikamentengaben deutliche Verkleinerungen der Tumore und/oder Verbesserung des Allgemeinbefindens möglich. Früher oder später bleibt aber nur noch die palliative Behandlung. Solange es möglich ist, bereitet man dem Hund ein lebenswertes Leben. Man nimmt ihm wirkungsvoll die Schmerzen, füttert schmackhaft, bekömmlich und nährstoffreich und behandelt Begleitsymptome. Man erleichtert seinem Hund und sich durch organisatorische Maßnahmen das Leben (Einstieghilfe ins Auto, rutschhemmender Belag auf Fußboden und Treppen, Aufstiegshilfe aufs Sofa, orthopädische Matratze im Hundebett etc.). Und vor allem unternimmt man Dinge, die Spaß machen. Und wenn es soweit ist, bittet man seinen Tierarzt um die Euthanasie.
Möglichkeiten und Grenzen der Krebstherapie
Die Diagnose „Krebs“ ist meist ein Schock. Die notwendige Entscheidung zu treffen, ob und wie nun behandelt werden soll, kann für den Hundebesitzer sehr quälend sein.
Wenn entschieden werden muss, ob einer Hündin ein Gesäugetumor entfernt werden soll, spielen neben Größe, Lage und Dignität (also Bös- oder Gutartigkeit) vor allem das Alter und der Gesundheitszustand der Hündin sowie die finanzielle Möglichkeiten des Besitzers eine Rolle. Anders sieht es z.B. bei der Entscheidung aus, seinem Hund ein ganzes Bein amputieren zu lassen. Hier kommen neben den allgemeinen Überlegungen weitere Fragen hinzu: wird mein Hund mit drei Beinen zurechtkommen? Wie wird er die anschließende Chemotherapie vertragen? Werden die übrigen Beine die höhere Belastung nach einer Amputation verkraften? Wie werde ich selbst damit zurechtkommen? Was werden die Nachbarn sagen? Und: wird er noch ein lebenswertes Leben führen?
Solche Fragen sind sehr schwer zu beantworten. Auch, weil jeder Patient individuell reagiert. Nicht jeder Hund stellt sich flexibel auf völlig andere Lebensumstände ein. Auch die Prognose ist nicht immer gleich.
Beitrag eingestellt durch presse.olnds