Longieren mit Hund
Wie bitte?
Longieren mit Hund!? Das ist doch wohl eher was für Pferde. Von wegen! Longieren ist eine tolle Freizeitbeschäftigung, die viel mehr Abwechslung bietet, als viele am Anfang denken. Bereits in den 1960er Jahren wurde in Skandinavien das Longieren als spezielles Training für Polizeihunde genutzt. Primäres Ziel war das Konditions- und Ausdauertraining, abgeleitet aus der Hütearbeit.
TEXT Kirsten Breidenbach FOTOS RZV-Archiv
Warum longieren?
Die Kombination aus körperlicher und geistiger Auslastung ist ideal. Für den Hund sind bereits kurze Einheiten von 5-10 Minuten extrem anstrengend.
Das Credo beim Longieren lautet „Distanz schafft Nähe“.
Der Mensch lernt:
• seinen Körper bewusster zu bewegen,
• die Wirkung seiner Körpersprache auf den Hund zu verstehen,
• seine Körpersprache zur Kommunikation mit dem Hund zu nutzen,
• die Kommunikation und Verbundenheit zum Hund zu verbessern,
• seinen Hund durch die menschliche Körpersprache zu leiten,
• dem Hund Grenzen und Tabuzonen zu setzen und
• die Körpersprache des Hundes zu erkennen, zu verstehen und zu nutzen.
Der Hund lernt:
• den Menschen und seine Körpersprache zu verstehen,
• auf seinen Menschen und dessen Körpersprache zu achten,
• dem Menschen zu vertrauen,
• die Bindung zum Menschen zuzulassen,
• sich vom Menschen leiten zu lassen und
• Grenzen und Tabuzonen zu akzeptieren.
Die Tabu-Zone
Das Innere des Longierkreises wird zur Tabu-Zone erklärt, die der Hund nicht betreten darf. Für den Hund ist die Ressource Mensch so nicht mehr frei verfügbar. Der Hund wird wesentlich aufmerksamer auf seinen Menschen. Die gegenseitige Kommunikation wird bewusster und vorwiegend körpersprachlich umgesetzt.
Der Longierkreis
Der Radius sollte bei unseren Hovawarten zwischen 10 und 30 Metern betragen, damit sich die Hunde in der Arbeit nicht zu stark biegen müssen. Es gibt viele Möglichkeiten, Longierkreise zu gestalten. Die klassische Variante sind Heringe mit Flatterband (die Haken der Heringe sollten ins Kreisinnere zeigen), alternativ kann ein im Baumarkt erhältliches Drainagerohr als Begrenzung dienen, ebenso Kreise aus Pylonen, Tonnen oder Markierhütchen.
Beim Aufbau des Kreises wird in die Mitte eine Steckstange platziert. An dieser befestigt ihr ein abgemessenes Band mit dem gewünschten Radius. Auf der Kreisbahn werden in regelmäßigen Abständen die Zeltheringe, Pylone etc. platziert und das Absperrband angebracht.
Aufbau des Longierens
Es ist sinnvoll, das Longieren mit einer Art Ritual zu starten. Der Hund sollte nicht unkontrolliert auf den Kreis zulaufen oder vielleicht sogar hineinspringen. Deshalb wird der Hund kontrolliert außerhalb des Longierkreises gebracht und z.B. abgesetzt. Man selbst steigt hinein. Der Hund wird nun über ein Kommando (z.B. „Los“) gestartet und direkt an der Begrenzung begleitet. Bereits nach einigen wenigen Schritten sollte das richtige Verhalten (also das Außenlaufen) mit Futter belohnt werden. Wie beim Hoopern gibt es eine Führhand. Das ist immer die dem Hund zugewandte, äußere Hand. Während der Hund sich bewegt, bleibt die Führhand am Hund. Fortwährend wird Blickkontakt gehalten. Sollte der Hund ins Innere des Kreises kommen, wird er nachdrücklich hinaus geschickt. Das kann je nach Hundetyp eine nach außen zeigende Handbewegung sein, die Steigerungsform ist eine deutliche Körperhaltung wie nach vorne gebeugter Oberkörper und ausgebreitete Arme, ggf. mit verbaler Unterstützung.
Wichtig: Der Grad des Nachdrucks ist UNBEDINGT dem Hund anzupassen. Schwer zu beeindruckende Hunde werden natürlich anders angesprochen als sowieso bereits unsichere Hunde! Wichtig ist aber, dass wir die Tabu-Zone konsequent für uns allein beanspruchen. Wenn der Hund das Prinzip verstanden hat und zuverlässig außerhalb des Longierkreises bleibt, können wir langsam die Entfernung vergrößern und uns ins Innere des Kreises absetzen. Aber auch hier ist eine regelmäßige Belohnung zur Festigung des Verhaltens wichtig und gerade zu Beginn, wenn wir etwas Neues beginnen (wie hier den Abstand zu vergrößern), sollte der Hund unmittelbar für korrektes Verhalten belohnt werden (z.B. Werfen der Beißwurst. Wichtig dabei ist, umgehend aus dem Longierzirkel herauszutreten, um außerhalb der Tabu-Zone mit dem Hund ein Belohnungsspiel zu machen.)
Die meisten Hunde haben eine „gute“ und eine „schlechte“ Seite im Hinblick auf ihre Laufrichtung. Es ist sinnvoll, hier mit der einfacheren Seite zu beginnen.
Zusammengefasst:
Das Innere des Kreises ist Tabu-Zone für den Hund und wird von uns energisch beansprucht. Gleichzeitig muss der Hund durch eine hohe Belohnungsrate für das korrekte Außen-Laufen bestärkt werden.
Um das Longieren für euch und euren Hund interessant und abwechslungsreich zu gestalten, solltet ihr weitere Kommandos einbauen. Das kann ein Sitz, Platz, Steh aus der Unterordnung sein oder aber andere Tricks, die euer Vierbeiner beherrscht. Auch solltet ihr darauf achten, regelmäßig die Laufrichtung zu wechseln, damit der Hund nicht einseitig belastet wird. Am Ende einer Einheit, die idealerweise mit einem positiven Erlebnis aufhört, sollte es einen „Jackpot“ geben. Das kann ein Mega-Leckerli sein, ein tolles Zergelspiel oder ein geworfener Ball.
Körpersprache als Schlüssel
Ein Ziel des Longierens ist es, sich die eigene Körpersprache bewusst(er) zu machen. Im Idealfall wird komplett auf verbale Kommandos verzichtet oder eben bewusst eingesetzt, um neue Kommandos zu generalisieren oder auf Entfernung abzufragen.
Körperspannung
Einfach gesagt: Mehr Spannung bei uns, mehr Spannung beim Hund. Wer emotionslos am Longierkreis entlang geht, kann von seinem Hund nicht unbedingt motiviertes, aufmerksames Laufen erwarten. Das gilt übrigens nicht nur beim Longieren, sondern ist gerne auch in der einen oder anderen Unterordnungsstunde zu sehen. Man kann für Tempowechsel die eigene Körperspannung bewusst nutzen: Mehr Spannung –> der Hund wird schneller, bewusste Entspannung –> der Hund wird langsamer.
Ein anderes Beispiel für den bewussten Einsatz der Körperspannung kennen manche vielleicht bereits aus dem THS/Hoopers-Bereich: Wenn der Hund nah zu einem oder an eine Kontaktzone kommen soll, atmen wir bewusst aus, um Spannung herauszunehmen.
Stellung der Schulter und der Füße
Unsere Körperfront gibt dem Hund die Bewegungsrichtung vor. Drehen wir die zur Kreismitte zeigende Schulter in Richtung Hund, veranlasst ihn das, langsamer zu werden, stehen zu bleiben oder die Richtung zu wechseln. Wir können so lernen, immer feiner mit unserem Hund zu kommunizieren.
VARIANTEN & SCHWIERIGKEITSSTEIGERUNGEN
Größere Distanz
Der Longierzirkel wird vergrößert (12 Meter, 15 Meter, 20 Meter usw.), immer unter Berücksichtigung der Konstitution des jeweiligen Hundes, da er einiges an Metern machen muss.
Kommando- und Tricktraining
Im Training werden gezielt Kommandos und Tricks eingebaut. Neben der Tatsache, dass diese Dinge nun auch auf Entfernung trainiert werden, kann man bewusst Verbal- und Sichtkommandos aufbauen bzw. generalisieren.
Tempowechsel
Wir können gezielt Schritt, Trab und Galopp herausarbeiten und z.B. mit einem Kommando belegen. Begonnen wird immer mit der Lieblingsgangart des jeweiligen Hundes.
Ablenkung
Im Kreisinneren ist eine Ablenkung bzw. ein Reiz für den Hund.
Gerätetraining
Außerhalb des Kreises werden Geräte wie Tunnel, Hürden oder ein Slalom aufgebaut, die der Hund auf Kommando abarbeiten soll.
Arbeit mit mehreren Hunden
Eine Königsdisziplin beim Longieren: Zwei oder mehrere Hunde werden durch ihre Besitzer gleichzeitig longiert. Hierbei kann man schöne Übungen einfließen lassen: Die Hunde überholen sich, arbeiten antizyklisch und müssen sich passieren etc.
Freilongieren
Bei erfahrenen Hunden kann die Kreisbegrenzung irgendwann abgebaut werden. Die Entfernung, die der Hund einnehmen soll, wird komplett über unsere Körpersprache gesteuert.
Longieren an zwei oder mehreren Kreisen
Durch einen zusätzlichen Kreis kann man die Hunde auch in einem Oval bzw. in Achten longieren.
Das Longieren ist eine Sportart für jeden – kleine, große, junge wie auch alte Hunde sowie gesunde und körperlich eingeschränkte Hundeführer. Es fördert bei unserem Vierbeiner den Muskelaufbau und baut Stress ab. Grundgehorsam sollte vorhanden sein, alles Weitere wird während des Trainings aufgebaut. Aber auch fertig ausgebildete Begleithunde können beim Longieren noch dazulernen. Die Einsatzmöglichkeiten sind groß und vielfältig.
Probiert es doch einfach mal aus!
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