Die Sprechstunde: Sportverletzungen
Sport ist gesund. Jedenfalls meistens.
Sport stärkt die Muskulatur und das Immunsystem, verbessert den Stoffwechsel und die Sauerstoffversorgung des Körpers, wirkt stimmungsaufhellend, erhöht die mentale Leistungsfähigkeit und verlängert die Lebenserwartung. Nicht nur beim Menschen, sondern auch beim Tier. Aber man kann auch Fehler machen, die die Gesundheit beeinträchtigen. Wie überall gilt: „zuviel ist ungesund“.
TEXT Dr. med. vet. Claudia Veit FOTO Arnd Finke, Benjamin Lütz
Der Hovawart ist ein gesunder und leistungsfähiger Gebrauchshund. Mit ihm kann man bei entsprechendem Talent (von Hund und Mensch) und Fleiß an Wettkämpfen bis hin zu Hundesport-Weltmeisterschaften teilnehmen.
Die Auswahl an möglichen Sportarten mit Hund ist groß: neben den klassischen Vereinsdisziplinen Fährtenarbeit und VPG/IGP gibt es (in alphabetischer Reihenfolge und ohne Anspruch auf Vollständigkeit) Agility, Canicross, Degility, Dog Dancing, Dog Diving, Dog Frisbee, Dummy Training, Flächensuche, Flyball, Longieren, Mantrailing, Mobility, Obedience, Rallye Obedience, Rettungshundearbeit, Treibball, Trümmersuche, Turnierhundesport, Wassersuche, Yoga mit Hund, ZOS (Ziel-Objekt-Suche).
Angeblich haben Hovawarte sogar schon erfolgreich eine Jagdgebrauchshundeprüfung abgelegt.
Welcher Sport ist gut für einen Hovawart?
Nicht jede Hunderasse ist für jede Sportart gleichermaßen geeignet. Mit entsprechendem Training kann ein Hovawart zwar (fast) alles lernen, aufgrund seiner Größe ist er aber im Vergleich zu kleineren und wendigeren Rassen nicht für jede Disziplin geeignet. Suchen Sie sich einen Sport, der sowohl zu den Talenten Ihres Hundes als auch zu Ihren eigenen Interessen, Fähigkeiten und Lebensumständen passt.
Nicht jeder Hovawart bringt den Beutetrieb und Kampfgeist mit, den man sich im VPG/IGP-Sport wünscht. Im Vergleich zu den in Agility führenden Border Collies sind Hovawarte schwerer und schwerfälliger. Für sie kommt eher das gelenkfreundlichere Obedience in Frage.
Schauen Sie sich verschiedene Disziplinen an, lassen sich von kundigen Trainern beraten und probieren Sie verschiedene Sportarten aus.
Was sind Sportschäden und Sportverletzungen?
So gesund Bewegung an der frischen Luft und Sport grundsätzlich auch sind, nichts im Leben ist ganz ohne Risiko.
Sportverletzungen entstehen durch ein einmaliges traumatisches Geschehen. Das kann ein Sturz sein, aber auch eine Beißerei mit einem vierbeinigen Sportkameraden.
Sportschäden nennt man die chronischen Folgen von dauerhaften Fehl- oder Überbelastungen einschließlich Mikrotraumen. Paradebeispiel dafür ist ein immer in einer Richtung im Kreis rennender Windhund, dem irgendwann ohne offensichtliches äußeres Trauma typischerweise das Sprunggelenk bricht. Fehlerhaftes Training, einseitige Belastung, Überlastung, zu wenig/zu kurze Regenerationsphasen etc. verursachen irreversible Schäden.
Keine Bewegung ist auch keine Lösung
Ohne ausreichende Bewegung drohen Übergewicht, Stoffwechselerkrankungen, ein schlechteres Immunsystem und eine verkürzte Lebenserwartung.
Wie beugt man Verletzungen und Sportschäden vor?
Hunde von gesundheitlich gut überwachten Züchtern wie im RZV haben weniger Probleme mit HD und anderen Erkrankungen, die die Sporttauglichkeit einschränken.
Allein aufgrund Ihrer Größe sind Hovawarte anfälliger für Störungen des Bewegungsapparates als kleinere Rassen. Sie müssen daher besonders sorgfältig aufgebaut werden. Idealgewichtige, optimal gefütterte, gut trainierte Tiere mit kräftiger Muskulatur und geschmeidigen Sehnen und Bändern sind weniger verletzungsanfällig als untrainierte oder übergewichtige. Untergewichtigen und mangelernährten Hunden fehlt u.a. die Muskelkraft, mit der die Gelenke entlastet werden.
Einseitige Belastung muss vermieden werden. Trainieren Sie deswegen z.B. das Bei-Fuß-Gehen nicht nur links, sondern auch rechts. Wechseln Sie nicht nur beim Longieren immer wieder die Richtung. Trainieren Sie immer Ausdauer, Muskelkraft und Gelenkigkeit, egal für welche Disziplin. Selbst Schachspieler, deren Denksport im Sitzen betrieben wird, trainieren körperlich, damit sie in den stundenlangen Duellen bessere Leistungen bringen!
Genau wie menschliche Athleten müssen auch vierbeinige Sportler vor jedem Training und vor jedem Wettkampf aufgewärmt werden („Warm Up“), um die volle Beweglichkeit, Belastbarkeit und Leistungsfähigkeit zu erreichen. Das Verletzungsrisiko sinkt nach angepasstem Aufwärmtraining erheblich. Nach jedem Einsatz müssen Sportler sich abkühlen („Cool Down“). Das gilt auch für Vierbeiner. Lassen Sie sich idealerweise von einer guten Tierphysiotherapeutin beraten.
Optimale Ernährung trägt zur Leistungsfähigkeit bei. Sie hilft beim Muskelaufbau, fördert die körperliche Widerstandskraft, die Gewebeelastizität und das Immunsystem. Nährstoffgehalt, Verdaulichkeit und Zusammensetzung des Futters, aber auch Temperatur und Zeitpunkt der Mahlzeiten sind wichtig. Das Thema würde den Rahmen dieses Artikels sprengen.
Mögliche Gesundheitsprobleme speziell im VPG/IGP-Sport
Im VPG/IGP-Sport wechseln bei der Arbeit am Helfer bei bestimmten Übungsbestandteilen Stauchungen (Anbiss) und Dehnungen (Annehmen) ab. Das stellt für die Halswirbelsäule und die Nackenmuskulatur, aber auch für die Lendenwirbelsäule und das Rückenmark eine Belastung dar. Je höher das Tempo und je höher das Gewicht, umso größer ist diese Belastung. Gut bemuskelte und vor jeder Trainingseinheit gut aufgewärmte Hunde haben ein deutlich geringeres Risiko. Die Nackenmuskulatur kann man u.a. mit Apportieren und Dummy-Arbeit stärken.
Cauda equina
Als Cauda equina („Pferdeschwanz“) bezeichnet man das hintere Ende des Rückenmarks. Hier zweigt es sich in viele Nervenenden auf und sieht daher ähnlich wie der Schweif eines Pferdes aus. Beim Cauda-equina-Syndrom ist der Wirbelkanal verengt und drückt auf diese Strukturen. Dadurch werden Schmerzen und Lahmheiten, in schlimmen Fällen Lähmungen verursacht. Diese Krankheit betrifft vor allem ältere Hunde.
Hovawarte mit dieser Erkrankung sollten nicht mehr im VPG/IPG trainiert werden, vor allem nicht mit hohen und steilen Sprüngen. Die Arbeit am Helfer darf allenfalls sehr vorsichtig und hundeschonend erfolgen.
Prellungen, Verstauchungen, Zerrungen
Ein sorgfältiger Trainingsaufbau, kräftigte Bemuskelung, gutes Aufwärmen vor den Trainingseinheiten und ausreichende Regenerationsphasen schützen vor Verletzungen. Üben Sie die besonders belastenden Trainingseinheiten wenig. (Oft genug, damit Ihr Hund sie beherrscht, aber selten genug, um Überlastungen vorzubeugen.)
Verspannungen
Fast in jeder Hundesport-Disziplin wird ein ausdrucksstarkes Fußgehen gewünscht, oft über längere Strecken. Der Hund muss dabei sein Tempo an den Menschen anpassen. Zumindest im Schritt ist das für die meisten Hovawarte zu langsam, denn deren natürliche Gangart ist ein lockerer Trab. Außerdem soll ständiger Blickkontakt zum Hundeführer gehalten werden. Das ständige Schauen nach rechts oben führt zu Verspannungen in der Nacken-, Schultergürtel- und Rückenmuskulatur, zur Überstreckung von Hals und Schulter, zu einer stärkeren Beugung in hinterem Rücken und Hinterhand und zu einer unnatürlichen Verlagerung des Gewichts. Neben gutem Aufwärmtraining sollte man daher auf Entspannungsübungen und Ausgleichstraining (auch mal rechts statt links bei Fuß laufen) achten. Physiotherapie und Massagen gehören für menschliche Leistungssportler längst zum Standardprogramm.
Zahnverletzungen
Der Zahnwechsel vom Milch- zum bleibenden Gebiss findet bei Hunden zwischen dem dritten und dem siebten Lebensmonat statt. Verletzungen oder Entzündungen eines Milchzahns können am bleibenden Zahn irreversible Schäden verursachen! Um gelockerten oder abgebrochenen (Milch)Zähnen vorzubeugen sollte man Hunde nur „nackt“ (ohne Halsband oder Geschirr) miteinander toben lassen. Spielzeug soll eine relativ glatte Oberfläche haben, damit die Zähne nicht „einhaken“ und abbrechen. Zerrspiele dürfen nur ohne ruckartiges Ziehen stattfinden.
Mit sieben Monaten ist der Zahnwechsel abgeschlossen. Aber erst im Alter von über zwei Jahren erreichen die bleibenden Zähne ihre volle Belastbarkeit. Anfangs ist die sogenannte Pulpa (der innere Hohlraum, in dem Nerven und Blutgefäße verlaufen) noch sehr groß. Nach und nach lagert sich mehr Dentin (Zahnbein) unter dem äußeren Zahnschmelz an. Dadurch wird die Pulpa kleiner und der Zahn stabiler. Bis dahin ist das Risiko für Zahnfrakturen besonders hoch.
Denken Sie bei Zerrspielen und beim Schutzdienst daran, dass Hundezähne stabiler aussehen als sie es tatsächlich sind. Zähne können aber auch beim Kauen von Knochen und Kauspielzeug abbrechen – die für diesen Zweck vermarkteten Hölzer, Wurzeln und Geweihe aus dem Zoohandel sind hoch riskant!
Fazit
Bauen Sie Ihren Hund sorgfältig auf, füttern Sie ihn optimal und halten Sie ihn schlank. Vermeiden Sie Überbeanspruchung, Fehlbelastung, einseitiges und fehlerhaftes Training (auf den RZV-Übungsplätzen erhalten Sie fachkundige Anleitung) und sorgen Sie für genügend Regeneration. Sorgen Sie für freie Bewegung, am besten ist unangeleinter Freilauf und freies Spiel mit gut sozialisierten anderen Hunden.
Der Grundsatz sollte immer sein: kein falscher Ehrgeiz zulasten des Tieres!
Ich wünsche Ihnen viel Spaß mit Ihrem Hund und beim Hundesport!
Beitrag eingestellt durch presse.olnds