Inklusion im Hundesport? Ist das machbar?
TEXT und FOTOS: Erich Gaa
Gerade gingen in Berlin die Special Olympics Wold Games zu Ende. Diese Spiele haben das Thema Inklusion und die Teilhabe von Menschen mit Behinderung am öffentlichen Leben und im Sport wieder in der Gesellschaft zu einem Gesprächsthema gemacht. Über den Verlauf der Spiele, die Freude und Begeisterung, die von den Athleten gezeigt wurde, den Teamspirit und die große, positive Berichterstattung in den Medien kann man nur begeistert sein.
Aber wie verhält sich das beim Umgang mit Menschen deren Behinderung auf den ersten Blick nicht ersichtlich ist? Und wie geht speziell der Hundesport mit diesen Menschen um?
Zum Beispiel bei Menschen mit Epilepsie, Multiple Sklerose, Morbus Crohn, Diabetes oder bei Menschen mit einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) ? Gerade in Deutschland gibt es mittlerweile 32000 Morbus Crohn-Erkrankungen mit steigender Tendenz, 11 Millionen Diabeteserkrankungen, darunter 8,7 Millionen mit diagnostiziertem Typ-2-Diabetes und 372.000 mit einem diagnostiziertem Typ-1-Diabetes. Bei PTBS sprechen wir zur Zeit von 1,5 Millionen erkrankten Menschen, wobei die Dunkelziffer hier weit größer sein dürfte. Für alle dieser oben aufgeführten Erkrankungen gibt es mittlerweile neben den vielfältigen technischen Hilfsmitteln auch speziell ausgebildete Hunde. Diese haben in ihrer Ausbildung gelernt, frühzeitig entsprechende Anzeichen im Körper ihrer Herrchen zu erkennen und darauf zu reagieren. Sie zeigen diese Veränderungen durch antrainierte Kontaktaufnahmen oder durch Lautgeben an. Durch ihren Hund nehmen viele dieser Menschen wieder aktiv am Leben teil, trauen sich auf die Straße und unter Menschen, sind auch in ihren Gemeinden in Hundevereinen vertreten und trainieren dort mit ihrem Hund die verschiedensten Hundesportarten, z.B. Turnierhundesport, Obedience, Ralley-Obedience, Agility usw. Wenn nun der Ehrgeiz dieser Menschen geweckt wurde, und sie an Turnieren teilnehmen möchten, müssen sie jedoch zuerst eine Begleithunde-Prüfung ablegen.
Und hier kommt dann schon der erste Stolperstein auf das Hund-Mensch-Team zu. Denn was passiert, wenn währen der Prüfung der Hund aussteigt, weil er, entsprechend seiner ursprünglichen Ausbildung, sein Herrchen warnen möchte? Die Prüfung wird als nicht bestanden gewertet. Ebenso verhält es sich leider auch bei den Prüfungen in den einzelnen Hundesportarten.
Als Diabetiker habe ich bisher vor jeder Prüfung den entsprechenden Leistungsrichter informiert und immer dieselbe Antwort erhalten: „Wenn Ihr Hund auf Ihre Unterzuckerung reagiert und diese anzeigt ist das doch super, aber die Prüfung wird als nicht bestanden gewertet“. Bisher hatte ich eine solche Situation noch nicht. Aber fair finde ich diese Einstellung gegenüber meinem Hund, der seinen Job erfüllt und evtl. mein Leben rettet, nicht. Ich fühle mich da schon diskriminiert. Um nicht in die Gefahr einer Unterzuckerung zu geraden, nehme ich vor der Prüfung nochmals Kohlehydrate zu mir, die ich aber nicht in der nötigen Menge spritze. Dadurch umgehe ich zwar das Risiko der Unterzuckerung, habe aber dafür mit einem hohen Blutzuckerwert zu kämpfen. Auch das ist nicht gerade gut für meine Gesundheit und auf Dauer auch nicht die Lösung. Aber nicht nur Diabetiker mit Assistenzhund haben dieses Problem. Auch Diabetiker, die eine Prüfung laufen und keinen ausgebildeten Assistenzhund haben, sondern durch ein technisches Hilfsmittel eine Unterzuckerung gemeldet bekommen, müßten ihre Prüfung abbrechen, da im Falle einer Unterzuckerung durchaus Lebensgefahr besteht.
Nun könnte man natürlich die Meinung vertreten, dass der betroffene Mensch doch froh sein soll, wenn sein Hund entsprechend reagiert oder das technische Hilfsmittel anzeigt und er sich rechtzeitig um seine Ausfallerscheinungen kümmern kann. Ja, das kann man so sehen.
Aber was ist mit der bis dahin eventuell super gelaufenen Prüfung?
Das Hund-Mensch-Team hat ja bis dahin sehr gut zusammengearbeitet und wird nun für eine gesundheitsgefährdende Situation beim Hundeführer bestraft, benachteiligt und diskriminiert. Ist das fair? Wo bleibt hier die vielgepriesene Inklusion?
Ich hätte daher folgenden Vorschlag:
Jeder ausgebildete Assistenzhund hat eine entsprechende Urkunde und das Team einen Ausweis erhalten. Es wäre doch, aus meiner Sicht, ein Leichtes, diese Dokumente im Vorfeld bei der Anmeldung vorzulegen. Sollte dann tatsächlich der Hund während der Prüfung anzeigen, könnte der Leistungsrichter abbrechen und am Ende des Prüfungstages das betroffene Team die Prüfung beenden lassen.
Bei Menschen ohne Assistenzhund, aber mit Behinderung, könnte vor der Prüfung der entsprechende Behindertenausweis vorgelegt werden. Auch dann könnte seitens der Leistungsrichter darauf reagiert werden.
Allerdings bedarf es dazu eine Überarbeitung / Änderung der Prüfungsordnungen. Ich finde daher, die einzelnen Verbände sollten hier Ihre Prüfungsordnungen überdenken und an die steigende Zahl der Menschen mit (auch nicht sichtbaren) Behinderungen anpassen. Dies wäre vielleicht auch eine Möglichkeit dem Mitgliederschwund in vielen Vereinen entgegenzuwirken, noch mehr Menschen für den vielseitigen Hundesport zu begeistern und auch bei jün geren Menschen das Intersse an der Vereinsarbeit zu wecken.